17 Jul
2014

Fristwahrung bei AGG-Klagen

Das AGG birgt viele Tücken in sich. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu am 22.5.2014 (8 AZR 662/13) eine für Arbeitgeber bedauerliche aber folgerichtige Entscheidung getroffen. Es geht um die Frage, wann die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem AGG gewahrt ist: Wenn eine Klage rechtzeitig bei Gericht eingeht oder wenn sie auch noch innerhalb der Frist beim Arbeitgeber zugestellt wurde. Es ging um EINEN Tag. Der Arbeitgeber wähnte sich schon sicher, doch er hatte die Rechnung ohne das Bundesarbeitsgericht und § 167 ZPO gemacht.

Eine junge Frau bewarb sich nach ihrer Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bei einem Arbeitgeber, der Hallen- und Freibäder betrieb. Sie hatte den befristeten Arbeitsvertrag (Elternzeitvertretung) fast schon in der Tasche. Ihre Arbeit hätte das Erteilen von zahlreichen Aquafitness-Kursen, Schwimmunterricht, die Betreuung der Badegäste und das Kontrollieren des Badebetriebs beinhaltet. Den Rettungsschein in Silber konnte sie vorlegen. Anfang November 2011 wurde die Frau noch darauf hingewiesen, dass körperliche Fitness ein Muss sei für die Tätigkeit. Die Bewerberin sagte, dass sie über die für diese Tätigkeit notwendige körperliche Fitness verfüge. Am 16.12.2011 sollte nur noch letzter ein Rundgang zur Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes stattfinden. Bei diesem Rundgang erzählte sie, dass sie im Januar 2011 an MS erkrankt sei und zu 50 % schwerbehindert sei. Der Arbeitgeber zog daraufhin am 28.12.2011 sein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zurück. Er könne sie nach Rücksprache mit dem Betriebsarzt nicht einstellen. Das Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages sei gemacht worden, als man noch nicht wusste, dass sie schwerbehindert sei. Es sei daher unwirksam. Die Frau machte Schadensersatz nicht erst außergerichtlich geltend. Sie erhob gleich Klage und zwar am 20.2.2012. Diese Klage wurde dem Arbeitgeber am 29.2.2012 zugestellt.

Er frohlockte, denn § 15 Abs. 4 AGG sieht vor, dass man Schadensersatz wegen Diskriminierung spätestens 2 Monate nach Kenntnis von der Diskriminierung schriftlich geltend machen muss. Die 2 Monate waren aber am 28.2.2012 abgelaufen. Das LAG hatte die Klage deswegen noch abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht „rettete“ die klagende Arbeitnehmerin aber mit § 167 ZPO, in dem es heißt:

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit dieser Entscheidung seine Meinung geändert und sich der geänderten Rechtsprechung des BGH angeschlossen: Wenn ein Kläger Schadensersatz auch außergerichtlich geltend machen kann, dann wahrt er die Frist auch dann, wenn seine Klage rechtzeitig bei Gericht eingeht, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wird. „Demnächst“ heißt hierbei, dass der Zustellende alles in seiner Macht stehende getan haben muss, um die Zustellung „demnächst“ zu bewirken. Im vorliegenden Fall sahen die Richter des BAG dieses „demnächst“ bei 9 Tagen noch als zulässig an.

Sie verwiesen den Fall an das LAG zurück, denn es muss ja noch aufgeklärt werden, ob der Arbeitgeber evtl. sachliche Gründe vortragen kann, die diese Diskriminierung rechtfertigen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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