26 Jun
2015

Fristlose Kündigung wegen gefälschter Bescheinigung des Kinderarztes

Eine Arbeitnehmerin, die seit 1990 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt war hatte an insgesamt 5 Tagen unentschuldigt gefehlt. Sie wurde von ihrem Arbeitgeber auf die fehlenden Bescheinigungen hingewiesen und legte sodann Bescheinigungen eines Kinderarztes vor, die von einem Dritten manipuliert worden waren. Der Kinderarzt hatte auf Nachfrage mitgeteilt, dass keines der beiden Kinder der Arbeitnehmerin in der fraglichen Zeit bei ihm in Behandlung gewesen war. Die Arbeitnehmerin hatte eingeräumt, dass die Bescheinigung gefälscht war. Ihr Sohn sei jedoch wirklich an den fraglichen Tagen krank gewesen. Der Arbeitgeber hatte der Frau daraufhin fristlos, hilfsweise ordentliche gekündigt. Sie erhob Klage und gewann vor dem Arbeitsgericht, denn eine Abmahnung hätte genügt. Das LAG Hessen (Urt. v. 23.3.2015; 16 Sa 646/14) hat der Berufung des Arbeitgebers stattgegeben. Die Revision ist nicht zugelassen.

Im Betrieb des Arbeitgebers galt eine Arbeitsordnung, die auch der Arbeitnehmerin ausgehändigt worden war. Darin war die Urkundenfälschung ausdrücklich als Grund für eine fristlose Kündigung genannt. Dies ist eine sogenannte vorweggenommene Abmahnung, die auch in diesem Blog schon behandelt wurde.

Das LAG hat die Klage aus folgenden Erwägungen abgewiesen:

  • Die Vorlage manipulierter Bescheinigungen ist an sich – also grundsätzlich – geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
  • Auch in diesem Einzelfall gab es keine milderen Mittel, die der fristlosen Kündigung vorrangig gewesen wären.
  • Selbst eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist war dem Arbeitgeber nicht zuzumuten.

Im Einzelnen hat das LAG dargelegt, warum die Interessenabwägung trotz störungsfreien Verlaufs des 23-jährigen Arbeitsverhältnisses zu Ungunsten der Arbeitnehmerin ausgeht:

  • Die Bescheinigung des Kinderarztes war nachweislich und unstreitig gefälscht.
  • Die Arbeitnehmerin hatte diese Bescheinigung ihrem Arbeitgeber vorgelegt mit dem Ziel, einen “Nachweis” über ihr unentschuldigtes Fehlen zu führen.
  • Auch wenn der Arbeitgeber vehement die Vorlage einer Bescheinigung für die fraglichen Tage forderte und die Arbeitnehmerin sich unter Druck gesetzt fühlte, rechtfertigt dies nicht die vorsätzliche Täuschung.
  • Die Vorlage gefälschter Bescheinigungen sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hinnehmbar.
  • Es spielt keine Rolle, ob sich die Arbeitnehmerin einen Vermögensvorteil erschleichen wollte. Allein die Vorlage der Bescheinigung wiegt in den Augen des Gerichts so schwer, dass dies als Kündigungsgrund ausreicht.
  • Zu Lasten der Arbeitnehmerin komme die Heimlichkeit der Tat hinzu.
  • Zwar sei zu Gunsten der Arbeitnehmerin die lange Betriebszugehörigkeit, ihr Lebensalter, die Unterhaltsverpflichtung ggü. ihren beiden Kindern und die Entschuldigung nach der Tat in die Waagschale zu werfen.
  • Eine Abmahnung war entbehrlich und auch auf die vorweggenommene Abmahnung komme es nicht an, denn der Pflichtverstoß sei so einscheidend und schwerwiegend, dass es jedem Arbeitnehmer hätte einleuchten müssen, dass damit eine massiver Vertrauensbruch einher geht, der nicht zu heilen ist.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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