27 Jan
2010

EuGH zur Kündigungsfrist – BGB-Regelung europarechtswidrig

von Dr. Sandra Flämig: Rechtsanwältin – Fachanwältin für Arbeitsrecht Stuttgart

Auch junge Menschen können wegen ihres Alters diskriminiert werden – auch durch deutsche Gesetze.

Am 19.01.10 verkündete der Europäische Gerichtshof ein Urteil, das sich auf die Bestimmungen des § 622, Abs.2, Satz 2 BGB bezieht. Darin heißt es:

„Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.“

Die Richter des EuGH sahen darin eine Diskriminierung auf Grund des Alters und setzten diese Regel mit ihrem Urteil direkt außer Kraft, in dem die deutschen Arbeitsgerichte angewiesen werden, sie bei laufenden Prozessen unangewendet zu lassen. Eine sofortige Gesetzesänderung des deutschen Rechts ist daher nicht erforderlich.
Die Entscheidung beruht auf der Klage einer Frau, die seit ihrem 18.Lebensjahr ein 10jähriges Arbeitsverhältnis begründet hatte und dann gekündigt wurde.

Durch Anwendung der Bestimmungen des BGB betrug die Frist nur einen Monat, weil nach der geltenden gesetzlichen Bestimmung (siehe oben) die Betriebszugehörigkeit, die sie vor Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegt hatte, nicht zählte.

Es wurde also bislang „so getan“, als sei sie erst 3 Jahre in dem Betrieb beschäftigt. Dann gilt nach § 622 Abs. 2, Satz 1 Nr. 1 eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende.

Bei Außerachtlassung der oben zitierten Regelung des § 622 Abs. 2, Satz 2 ergeben sich vier Monate Kündigungsfrist, weil dann die volle Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren berücksichtigt wird und die Kündigungsfrist in diesem Fall nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 vier Monate zum Monatsende beträgt.

Neben der Regierung betrifft dieses Urteil auch die Tarifpolitik, da viele Tarifverträge den Text aus dem BGB wortwörtlich übernommen haben. Besonders betroffen scheint hier die Bauwirtschaft mit bundesweit etwa 700.000 Beschäftigten. Diese hat nicht nur einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen, sondern naturgemäß auch überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer, die bereits in jungen Jahren Dauerarbeitsverhältnisse begründen.
Arbeitgeberkreise äußern nicht nur eine Befürchtung der generellen Verlängerung von Kündigungsfristen, sondern sehen auch eine große Rechtsunsicherheit voraus, da die Verlässlichkeit der nationalen Gesetzgebung für private Vertragsparteien nicht mehr gegeben sei, wenn diese sich auf die Gültigkeit geltender nationaler Gesetze nicht mehr verlassen könnten. Alle Tarifparteien sehen nun gespannt der Reaktion der Regierung entgegen.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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