Für Arbeitgeber ist die Vorstellung, jahrelang Rückstellungen für eventuelle Urlaubsabgeltungsansprüche langjährig erkrankter Mitarbeiter zu bilden, beängstigend.
Durch Urteil vom 20.1.2009 hatte der EuGH entschieden, dass der Urlaub erkrankter Arbeitnehmer nicht automatisch verfällt, sondern nach Ende der Krankheit noch genommen werden kann bzw., bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, abgegolten werden muss. Die „Horrorvision“ waren nun Arbeitnehmer, die jahrelang krank waren und die dann Urlaub im Wert von zehntausenden Euro bekommen müssen. So konnte und musste man, vorsichtshalber, das Urteil des EuGH aus dem Jahre 2009 auch verstehen. Der EuGH hatte damals aber nur über Urlaub aus dem laufenden und aus dem vorangegangenen Jahr zu entscheiden gehabt. Er konnte also keine Aussage darüber treffen, wie es sich mit noch älterem Urlaub verhält.
Dazu hatte er aufgrund einer Vorlage des LAG Hamm (Az.: 16 Sa 1176/09) nun die Möglichkeit.
Folgender Fall lag der Entscheidung des EuGH vom 22.11.2011 (Az.: C-214/10) zugrunde:
Ein seit 1964 bei dem Arbeitgeber beschäftigter Arbeitnehmer war von Januar 2002 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Ende August 2008 krank. Der Kläger machte nach Bekanntwerden der EuGH-Entscheidung vom 20.1.2009 Urlaubsansprüche aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 geltend. Bei dem Arbeitgeber gab es aber die tarifliche Regelung, nach der der Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann, 15 Monate nach Ende des Bezugszeitraumes verfällt.
Das Arbeitsgericht sprach dem Arbeitnehmer insgesamt 75 Urlaubstage für die Jahre 2006, 2007 und 2008 zu.
Der Arbeitgeber legte dagegen Berufung ein. Das LAG Hamm legte dem EuGH daher die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Urlaubsansprüche langjährig erkrankter Arbeitnehmer angesammelt werden können oder ob sie zeitlich befristet sind bzw. ob der Arbeitgeber Regelungen treffen kann, nach denen die Urlaubsansprüche 15 Monate nach Ablauf des Bezugszeitraumes verfallen. Das LAG war der Ansicht, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers für das Jahr 2006 erloschen sei, weil der Übertragungszeitraum von 15 Monaten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen war.
Der EuGH sollte nun prüfen, ob diese Ansicht des LAG mit der Arbeitszeitgestaltungsrichtlinie (2003/88/EG) im Einklang ist. Der EuGH hat dies bestätigt. Eine zeitliche Beschränkung des Urlaubsanspruchs von langjährig erkrankten Mitarbeitern ist aus Sicht des EuGH zulässig. Daher hat ein langjährig erkrankter Arbeitnehmer kein Recht, Urlaub über Jahre anzusammeln. Es widerspreche der Erholungsfunktion des Urlaubs, wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse Grenze überschreite.
Es dürfte daher in Zukunft zulässig sein, wenn man arbeitsvertragliche Regelungen trifft, die einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen. Jedoch gilt auch hier, dass jeder Einzelfall für sich angeschaut und geprüft werden muss.