Hier antwortet der Jurist sehr befriedigend: Kommt darauf an. Worauf denn? Darauf, ob das Übergewicht schon so groß ist, dass es den gesetzlich definierten Begriff der Behinderung erfüllt. Also: Wer nicht dick genug ist, darf auch nicht auf Schmerzensgeld nach dem AGG hoffen, auch wenn er sich diskriminiert fühlt. Doch der Reihe nach:
Das Arbeitsgericht Darmstadt hatte am 12.6.2014 ein Urteil (6 Ca 22/13) gefällt, in dem es darum ging, ob eine wegen Übergewichts abgelehnte Bewerberin einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat.
Eine leicht Übergewichtige Frau hatte sich bei einer Patientenorganisation beworben, die sich die Erziehung und Animation zu gesunder Ernährung und sportlicher Betätigung auf die Fahnen geschrieben hatte. Sie war zum Vorstellungsgespräch erschienen und danach von der stellvertretenden Vorsitzenden der Organisation schriftlich gefragt worden, wie es denn komme, das sie nicht ihr Normalgewicht habe. So wie sie jetzt aussehe, sei sie kein gutes Aushängeschild für die Ziele der Organisation. Sie würde sie durch ihre Erscheinung geradezu konterkarieren. Gleichwohl war ein zweites Vorstellungsgespräch anberaumt worden. Die Bewerberin fühlte sich beleidigt und erschien zu dem Vorstellungsgespräch nicht. Den Job bekam sie natürlich nicht. Sie klagte und wollte 30.000 Euro Schmerzensgeld. Sie sei wegen ihres Übergewichts nicht genommen worden und das diskriminiere sie aufgrund einer Behinderung. Außerdem fühlte sie sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Das Arbeitsgericht wies die Klage der Frau ab. Sie sei nicht so übergewichtig, dass dies eine Behinderung darstelle. Laut § 2 SGB IX ist Behinderung wie folgt definiert:
„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.„
Starkes Übergewicht kann diese Definition erfüllen. Davon war die Klägerin aber weit entfernt. Es war auch nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von einer Behinderung ausgegangen war. Man hatte sie schon allein deswegen nicht eingestellt, weil sie zum zweiten Vorstellungsgespräch nicht gekommen war. Das Arbeitsgericht hatte dann noch ausgeführt, dass der Arbeitgeber durchaus entscheiden darf, ob er einen Menschen einstellt, der in den Augen des Arbeitgebers für den Publikumsverkehr attraktiv genug ist. Der Arbeitgeber darf auch jemanden ablehnen, der wegen seiner äußeren Erscheinung nicht ins Grundkonzept des Arbeitgebers passt.
Wäre die Frau nicht gleich beleidigt gewesen und hätte den zweiten Termin wahrgenommen, hätte sie sich vielleicht erklären können und gemeinsam mit dem Arbeitgeber nach einem Weg suchen können, der sie zum Normalgewicht führt. Oder Arbeitgeber war offensichtlich offen für die Frau, sonst hätte es keinen zweiten Vorstellungstermin gegeben.
Am Rande: Der hohe Streitwert von 30.000 Euro, die in so einem Fall nie und nimmer erzielt worden wären, lässt darauf schließen, dass die Arbeitnehmerin rechtsschutzversichert war. Denn im Arbeitsrecht trägt jeder die Kosten seines Anwalts bis zum Anschluss der ersten Instanz selbst und bei diesem Streitwert lagen die Anwaltsgebühren bei rund 2.600 Euro. Der Arbeitgeber, wenn er sich nicht selbst vertreten hat oder rechtsschutzversichert war, musste also auch 2.600 Euro für seinen Anwalt berappen obwohl er im Recht war und obwohl die Chancen für die Klägerin von Anfang an mies waren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt….