20 Jan
2014

Diskriminierung – Kündigung am Tag der eingeleiteten Fehlgeburt

Es gibt Fälle, bei denen man weiß, so etwas kann man sich nicht ausdenken; solche Fälle schreibt nur das Leben und es gibt Geschmack- und Pietätlosigkeiten, die einem die Sprache verschlagen. Das Bundesarbeitsgericht hatte einen solchen Fall am 12.12.2013 (8 AZR 838/12) zu entscheiden.

Ein sächsischer Arbeitgeber (Kleinbetrieb mit weniger als 10 Mitarbeiter) hatte eine Arbeitnehmerin mit 30 Wochenstunden und einem Bruttolohn von 750 Euro beschäftigt (Das ist noch nicht die Diskriminierung aber auch schon mal nicht schlecht – Stundenlohn unter 6 Euro!). Die Frau wurde Mitte 2011 schwanger und teilte das ihrem Arbeitgeber mit

Am 4.7.2011 stellte der Frauenarzt der Arbeitnehmerin fest, dass die Voraussetzungen für ein allgemeines Beschäftigungsverbot vorliegen. Maßgebliche Vorschrift ist § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG), in dem es heißt:

„Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.“

Die Arbeitnehmerin teilte ihrem Arbeitgeber mit, dass sie einem Beschäftigungsverbot unterliege. Gleichwohl versuchte der Arbeitgeber, sie zu überreden, sich nicht an das Verbot zu halten und gleichwohl arbeiten zu kommen. Sie widersetzte sich dem und kam nicht mehr zur Arbeit. Am 14.7.2011 stellte der Frauenarzt der Arbeitnehmerin den Tod der Leibesfrucht fest. Es müsse am Folgetag ins Krankenhaus, um den notwendigen Eingriff vornehmen zu lassen. Die Arbeitnehmerin teilte dies ihrem Arbeitgeber noch am 14.7.2011 mit. Diese schrieb noch am 14.7. die Kündigung und warf sie der Arbeitnehmerin in den Briefkasten. Als die Arbeitnehmerin nach der Fehlgeburt am 16.7. wieder aus dem Krankenhaus kam, fand sie die Kündigung in ihrem Hausbriefkasten. Als Kündigungsgrund waren betriebsbedingte Gründe angegeben. Sie verklagte den Arbeitgeber zum einen auf Feststellung, dass die Kündigung unwirksam sei und auf Schadensersatz in Höhe von 3000 Euro. Kurz nach Erhebung der Klage kündigte der Arbeitgeber am 9.8.2011 erneut aus betriebsbedingten Gründen.

Die Arbeitnehmerin gewann vor dem Bundesarbeitsgericht. Es stellte fest, dass die Kündigung vom 14.7. und vom 9.8. unwirksam waren und verurteilte den Arbeitgeber zu einer Schadensersatzahlung in Höhe von 3000 Euro.

Die erste Kündigung war unwirksam, weil die Frau zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch schwanger war. Auch wenn die Leibesfrucht schon abgestorben war, bestand noch eine Schwangerschaft und die Frau unterlag dem besonderen Kündigungsschutz des MuSchG. Die zweite Kündigung war nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts unwirksam, weil sie treuwidrig war. Sie erfolgte nicht aus betrieblichen Gründen sondern weil der Arbeitgeber verärgert war, weil die Arbeitnehmerin sich an das Beschäftigungsverbot hatte halten wollen. In einem Kleinbetrieb gelten zwar nicht die strengen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes, dennoch muss sich der Arbeitgeber auch hier an die guten Sitten und an Treu und Glauben halten.

Schadensersatz bekam die Klägerin wegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, weil die Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft von ihrem Arbeitgeber schlechter behandelt als die anderen Arbeitnehmer. Die schlechtere Behandlung liegt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in der Missachtung von Schutzgesetzen (hier: MuschG).

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Arbeitswelt heute Blog

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