10 Okt
2013

Diskriminierung : Kind als Hindernis für neuen Job

Wiedereinmal haben wir es der Unachtsamkeit eines Arbeitgebers zu verdanken, dass wir Einblick in wahre Ablehnungsgründe für einen Job bekommen. Wie schon beim sogenannten Ossi-Urteil (in diesem Blog am 16.4.2010 – „Minus – Ossi“), hatte ein Arbeitgeber sehr eindeutige Formulierungen auf Bewerbungsunterlagen hinterlassen und diese dann zurückgeschickt. Das Landesarbeitsgericht Hamm (11 Sa 335/13) hat am 6.6.2013 zugunsten der klagenden Bewerberin entschieden. Sie bekam 3.000 Euro Schadensersatz wegen mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Sie hatte nur 3.000 Euro eingeklagt und alles zugesprochen bekommen. Die Revision ist zugelassen.

Eine Frau hatte sich als Buchhalterin bei einem Arbeitgeber beworben. In ihrem Lebenslauf hatte sie geschrieben „verheiratet, ein Kind“. Der Arbeitgeber hatte daneben handschriftlich vermerkt „7 Jahre alt!“, die sich ergebende Wortfolge „ein Kind, 7 Jahre alt!“ war durchgehend unterstrichen.

Das Landesarbeitsgericht sah in dem Vermerk des Arbeitgebers eine begründete Vermutung für die mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 22 AGG, in dem es heißt:

„Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.“

Die abgelehnte Bewerberin machte daraufhin Schadensersatz wegen Diskriminierung beim Arbeitgeber geltend. Dieser lehnte das ab und schrieb ihr, dass die Ablehnung nicht aufgrund ihres Geschlechts, ihres Familienstandes oder ihrer Unterhaltsberechtigung erfolgt sei. Man habe einen andere Frau eingestellt, die besser qualifiziert war als die Klägerin. Nach dieser Ablehnung klagte die Frau. Sie vertrat die Ansicht, dass sich aus dem Vermerk und der unterstrichenen Wortfolge ergebe, dass man sie nur deshalb nicht genommen habe, weil sie ein Kind zu betreuen habe. Sie sei wegen ihrer Mutterschaft (Geschlecht) nicht genommen worden. Frauen seien immer noch diejenigen, die in Elternzeit gehen und daheim bleiben würden, wenn Kinder krank sind. Daher ist zu vermuten, dass der Arbeitgeber Vorbehalte gegen die Vollzeit-Berufstätigkeit von Müttern habe. Darin liege eine mittelbare Diskriminierung.

Der Arbeitgeber argumentierte, dass die schließlich eingestellte Arbeitnehmerin auch ein Frau sei, die aber besser qualifiziert sei als die Klägerin. Die Notiz hätte lediglich dazu gedient, sich bewusst zu machen, dass das Kind schon in der Schule sei und daher eine Vollzeitbeschäftigung eher möglich. Es sei also eine Notiz zugunsten der Klägerin gewesen. Und in völliger Verkennung der Realität behauptete der Arbeitgeber dann auch noch, dass es nicht stimme, dass verheiratete Mütter schlechtere Einstiegschancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Das Landesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht, weil in dem durchgehend unterstrichenen Vermerk „ein Kind 7 Jahre alt!“ die Vermutung für eine mittelbare Benachteiligung zu sehen ist. Zwar können sowohl Männer als auch Frauen Kinder betreuen und somit auch benachteiligt werden. Aber dennoch sind es immer noch mehr Frauen, die die Last der Familie zu tragen haben. Somit handelt es sich um eine unmittelbare Benachteiligung. Die daraus folgende Beweislastumkehr führt dazu, dass der Arbeitgeber nun den Vollbeweis dafür antreten muss, dass er nicht benachteiligen wollte. Das konnte er aber nicht. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht diese Sache sieht, wenn sich die Parteien nicht doch noch einigen.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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