22 Aug
2013

Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung

Das Bundesarbeitsgericht hat am 20.6.2013 (Az.: 8 AZR 482/12, Pressemitteilung 43/13; Vorinstanz: LAG Köln, Az.: 2 Sa 768/11) die Frage entschieden, was notwendigerweise vom Arbeitnehmer vorgetragen werden muss, der sich auf eine Ungleichbehandlung aufgrund einer Weltanschauung beruft und was nicht als Weltanschauung gelten kann.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt klar, dass ein Arbeitnehmer Schadensersatz vom Arbeitgeber fordern kann, wenn er wegen seiner Weltanschauung benachteiligt wird. Daraus ergibt sich auch, dass er Schadensersatz verlangen kann, wenn er wegen einer bei ihm vermuteten Weltanschauung diskriminiert wird. Jedoch sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor, dass der Arbeitnehmer für beide Formen der Diskriminierung Indizien vortragen und beweisen muss, die auf eine Benachteiligung wegen einer vorhandenen oder nur vermuteten Weltanschauung hindeuten – so das BAG. Das Bundesarbeitsgericht hielt weiter fest, dass persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen keine Weltanschauung sind.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde (Sachverhalt zusammengefasst aus dem Tatbestand des Urteils des LAG Köln – 2 Sa 768/11):

Die Klägerin hatte an der Pekinger Fremdsprachenuniversität Germanistik studiert. Sie war nicht Mitglied einer politischen Partei. Seit 1987 war sie bei der Beklagten als arbeitnehmerähnliche Person (Radio- und Onlineredakteurin) beschäftigt. Ihr letzter Honorarvertrag war befristet bis 31.12.2010. Anfang Juli 2009 teilte der Arbeitgeber der Klägerin mit, dass ab 1.8.2010 ihre Tätigkeit eingeschränkt werde und sich ihre Vergütung um 20 % mindern werde. Ende Juni 2010 teilte der Arbeitgeber der Klägerin mit, dass über den 31.12.2010 das Honorarrahmenverhältnis nicht fortgesetzt werde. Die tariflichen Formalien waren eingehalten worden.

Die Klägerin trug folgende Indizien für die Diskriminierung vor:

  • seit Sommer 2008 versuchte der Arbeitgeber einem in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck zu regierungsfreundlicher Berichterstattung über die VR China entgegenzutreten.
  • Der Arbeitgeber sei davon ausgegangen, dass die klagende Arbeitnehmerin an dieser zu freundlichen Berichterstattung beteiligt gewesen sei, was nicht stimme.
  • Dennoch habe der Arbeitgeber einen sogenannten externen Monitor eingeschaltet, der von den Mitarbeitern der chinesischen Redaktion als Zensor empfunden worden sei. Der Monitor sei mit der Übersetzung von einzelnen in Chinesisch abgefassten Artikeln beauftragt gewesen.
  • Der Monitor habe dann zumindest in einem Fall erklärt, dass Berichte über ethnische Konflikte nicht von Redakteuren verfasst werden dürften, die in China sozialisiert wurden. 
  • zum Chef vom Dienst sei ein Mongole bestimmt worden, ohne dass die Stelle ausgeschrieben worden sei
  • es habe einen Workshop gegeben, in dem Verhaltensgrundsätze verabschiedet worden seien, die die Klägerin und einige andere Arbeitnehmer nicht unterschrieben haben. Die Vertragsverhältnisse aller diese Mitarbeiter seien entweder beendet oder stark eingeschränkt worden
  • ein von der Klägerin erstelltes Interview sei nicht online veröffentlicht worden. Die Klägerin nimmt an, dies sei geschehen, weil das Interview zu regierungsfreundlich war
  • Vorgesetzte der Klägerin hätten geäußert, dass man sie wegen ihrer Regimenähe ausbluten lassen und sodann entlassen werde
  • aufgrund der Benachteiligungen habe die Klägerin bereits 2009 Einkommenseinbußen von mehr als 10 % ggü. den Vorjahren zu verschmerzen gehabt. Andere freie Mitarbeiter der Redaktion seinen davon nicht betroffen gewesen. Es seien sogar neue Mitarbeiter eingestellt worden

Die Arbeitnehmerin machte Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro geltend.

Der Arbeitgeber bestritt, dass die Klägerin wegen ihrer Weltanschauung benachteiligt wurde. Der Arbeitgeber bestritt auch, dass die Klägerin zu regierungsfreundlich ggü. der VR China eingestellt sein. Er bestritt weiter, dass er angenommen habe, die Arbeitnehmerin sei zu regierungsfreundlich. Eine politische Gesinnung sei auch keine Weltanschauung im Sinne des § 1 AGG. Mit der Diskussion über die China-Redaktion habe die Arbeitnehmerin nichts zu tun gehabt. Das von der Klägerin erwähnte Interview sei nicht veröffentlicht worden, weil sie nicht den vereinbarten Interviewpartner (ehemaliger Ministerpräsident) gewählt hatte, sondern einen nicht dem „VIP – Auswahlkriterien“ entsprechenden Sinologen. Das Interview habe außerdem nicht den Qualitätsstandards entsprochen. Der Vertrag der Klägerin sei nicht verlängert worden wegen Haushaltsreduzierung. Außerdem berief sich der Arbeitgeber auf die Rundfunkfreiheit. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass der Arbeitgeber 60.000 Euro im Jahr einsparen musste, wobei die Klägerin aber die Ansicht vertragt, dass dies auf alle gleichmäßig zu verteilen sei. Der Arbeitgeber wandte ein, dass man sich entschieden habe, vermehrt politische Themen zu bearbeiten, die Klägerin sei aber in gesellschaftlichen Themen beheimatet. Die Arbeitnehmerin hatte sich intern beworben, sie auch zum Vorstellungsgespräch geladen worden, habe dann aber nicht überzeugt. Des Weiteren trug der Arbeitgeber vor, dass man die Programmvielfalt beibehalten wolle und daher Mitarbeiter auch austausche, um solche mit frischeren Sprachkenntnissen einzustellen. Der Arbeitgeber war dann noch einem Vorwurf eines chinesischen Dissidenten nachgegangen, der behauptet hatte, die Redaktion sei KP-freundlich. Ein externes Gutachten kam zu dem Ergebnis das dem nicht so sei.

Die Arbeitnehmerin unterlag in allen 3 Instanzen.

Das Bundesarbeitsgericht hat zuletzt den Anspruch abgewiesen, weil die Arbeitnehmerin keine Tatsachen vorgetragen hat, die den Schluss zulassen, dass sie wegen einer ihr vom Arbeitgeber unterstellten Weltanschauung diskriminiert worden sei. Die Rundfunkfreiheit hätte es dem Arbeitgeber sogar gestattet, eine größere Distanz zur Regierung in China durchzusetzen. Selbst wenn dies so wäre, was nicht bewiesen ist, ist dies kein Indiz dafür, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin eine Weltanschauung unterstellt und sie dann derentwegen diskriminiert. Das Bundesarbeitsgericht führt weiter aus, dass man aus einer Sympathie für ein Land schon keine Sympathie für eine die Regierung dieses Landes tragende Partei schließen kann. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die weltanschauliche Fundierung einer Partei (sofern vorhanden) auch von deren Sympathisanten geteilt wird. Die Klägerin war also meilenweit vom Diskriminierungsmerkmal „Weltanschauung“ entfernt. Ihre Klage wurde als unschlüssig abgewiesen.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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