22 Jul
2013

Das inhabergeführte Unternehmen – Versetzt Euch mal in den Arbeitgeber!

Arbeitnehmer und Arbeitgeber reden oft aneinander vorbei bzw. verstehen sie einander nicht. Der jeweils andere verhält sich in den Augen seines Gegenübers unmöglich, irrational, jedenfalls nicht nachvollziehbar.

Arbeitnehmer verstehen zum Beispiel nicht,

  • warum sie Überstunden machen sollen,
  • warum der Chef „die Krise“ bekommt, weil sie dieses Jahr schon zum dritten Mal krank sind und somit 20 AU-Tage auf der Uhr haben – „Sind doch nur 20 Tage! Ich habe doch 6 Wochen – oder?“
  • warum die Abfindung so mickrig ist
  • warum der Chef sich so aufregt, nur weil man mal ein paar legerere Klamotten anhat – “ Wie? Kundenkontakt? Einen schönen Menschen entstellt nichts!“
  • wieso der Chef sich so aufregt wegen ein bisschen Surfen im Internet („Die paar Minuten! Wann komm´ ich schon dazu, diese Wahnsinnsschuhe bei … zu schießen?“)
  • warum der Chef mies drauf ist („Hatte er heute den Termin bei der Bank? – Pff!“)

Das sind nur einige sehr plakative Beispiele. Ich weiß, dass Arbeitnehmer nicht durchgehend ignorant sind. Ihnen fallen aber bestimmt Dinge ein, bei denen Sie Ihren Chef nicht verstehen bzw. bei denen Sie sich als Chef unverstanden fühlen (Merken die das nicht?!?).

Darüber reden tun Sie natürlich nicht miteinander ….

Gegenseitiges Verständnis würde helfen. Dazu ist es sinnvoll, sich mal ganz bewusst in die Lage des anderen zu versetzen und die Welt mit seinen Augen zu sehen.

Schauen wir uns das inhabergeführte mittelständische Unternehmen an. Der/die Inhaber/in hat das Unternehmen selbst aufgebaut.

Er/sie hat

  • viele, viele Überstunden gemacht,
  • die Idee gehabt für dieses Unternehmen,
  • diese Idee gegenüber Zweiflern verteidigt und immer mehr ausgefeilt und schließlich damit Erfolg gehabt,
  • in den Anfangsjahren und in schlechten Zeiten selbst auf Geld verzichtet,
  • Kredite aufgenommen und deswegen viele schlaflose Nächte gehabt – Das Magengeschwür meldet in diesen Zeiten , dass es noch da ist und verlangt Aufmerksamkeit.
  • mit Geschäftspartnern und Lieferanten verhandelt
  • seine/ihre Familie vernachlässigt. Er/sie sieht sie selten, es sei denn die Familie arbeitet mit.
  • wenig Freizeit – zumindest in den Anfangsjahren
  • immer zuerst an die Firma, an die Mitarbeiter/innen, an die Familie und ganz zum Schluss vielleicht an sich selbst gedacht

Das Unternehmen ist sein/ihr „Baby“. Es steckt mehr als nur Geld drin. Es ist sein/ihr Lebensinhalt oder zumindest ein ganz großes Stück davon. Wenn man sich das alles klar macht, dann kann man verstehen, warum der Arbeitgeber manchmal so reagiert, wie er reagiert.

Was ist aus meiner Sicht zu tun:

Wenn Sie Arbeitgeber sind, machen Sie sich erst einmal selbst klar:

  • wie Sie auf andere wirken
  • wie Sie in welcher Situation reagieren und was die Ursache dafür ist
  • was Sie alles „auf dem Teller haben“. Möglicherweise ist es zu viel und es kann Ihnen geholfen werden. Sie müssten es aber schon sagen.

Arbeitnehmer könnten sich über das „ganze Drumherum“ informieren.

Man könnte den Chef ganz direkt fragen

  • zur Firmengeschichte,
  • zu seinen persönlichen Lebensumständen,
  • wie das ist bei den Verhandlungen mit Banken, Geschäftspartnern, Lieferanten, Kunden etc.

Vielleicht bekommt man ja mehr Auskunft, als man erwartet. Schließlich wäre es einen Versuch wert, sich mal für einen Tag ganz in die Position des jeweils anderen zu versetzen. Rollentausch. Es wird Ihnen bestimmt etwas einfallen, wie Sie es schaffen, den Blick für den Anderen zu weiten und die Welt mit seinen Augen zu sehen. Sie werden staunen, was Sie alles erfahren und wie viel Nähe dabei entstehen kann. Es kostet kein Geld, erfordert aber Mut, denn man wird mit den eigenen Grenzen und Unzulänglichkeiten konfrontiert werden und der Andere sieht das dann. Doch: Viel Risiko, viel Chance.

Herausfinden kann man es nur, wenn man es mal probiert …

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Arbeitswelt heute Blog

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