12 Feb
2010

Das Aus für den Postmindestlohn

von Dr. Sandra Flämig: Rechtsanwältin – Fachanwältin für Arbeitsrecht Stuttgart

Vollkommen unterschiedliche aber keineswegs unerwartete Reaktionen bei den Beteiligten rief das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes über den Postmindestlohn von Ende Januar hervor.
Im Urteil vom 28.01.10 war vom höchsten Verwaltungsgericht in dritter Instanz der Mindestlohn für Zusteller aufgehoben worden. Geklagt hatten Wettbewerber der Deutschen Post mit dem Argument, dass der festgesetzte Mindestlohn ihre Existenz gefährde. Der Post-Mindestlohn war zwischen der Deutschen Post und der Gewerkschaft Verdi ausgehandelt worden und 2008 in Kraft getreten. Allgemeinverbindlichkeit erhielten diese Mindestlöhne für Postzusteller durch die sogenannte „Postmindestlohn-Verordnung“ vom ehemaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD)“.


In seinem Urteil zeigte sich das Bundesverwaltungsgericht wie immer „diplomatisch“, in dem es nicht den Mindestlohn infrage stellte, beanstandete oder gar für verfassungswidrig erklärte, sondern Formfehler beim Zustandekommen des Postmindestlohns rügte. Das Gericht sah eine Verletzung der Beteiligungsrechte der Kläger, weil diesen vor Verabschiedung der Verordnung vom Arbeitsministerium keine schriftlichen Stellungnahmen ermöglicht worden waren. Daher wäre der wichtige Grundsatz des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes über eine umfassende Beteiligung aller betroffener Unternehmen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften nicht im gesetzlich vorgesehenen Maß erfüllt worden.

Während Vertreter der Gewerkschaft Verdi optimistisch sind und eine einfache Heilung der durch das Gericht gerügten Verfahrensmängel durch eine neue Verordnung als möglich ansehen, begrüßen Vertreter des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ) , allen voran deren Präsident Gerster, das Urteil des BVerwG als „Sieg für den Wettbewerb in der Brief- und Zustellbranche“ . Mahnende Worte finden Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die bei einem Wegfall des Post-Mindestlohnes eine Zunahme von „Dumpinglöhnen“ im Zustellgewerbe erwarten.

Allerdings ist der Mindestlohn durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht komplett außer Kraft, dazu müsste die amtierende Arbeitsministerin von der Leyen ihn aufheben. Für die am Klageverfahren beteiligten Unternehmen etc. ist der Mindestlohn jedoch mit sofortiger Wirkung ungültig, das erste Unternehmen (PIN AG) hat bereits das sofortige Absenken der Löhne angekündigt. Am 30.04.10 laufen jedoch der bundesweite Tarifvertrag und damit auch der festgesetzte Mindestlohn aus.

Alle Beteiligten sind sich darin einig, dass jetzt schnelles Handeln der Regierung erforderlich ist. Die Vertreter der Gewerkschaften wollen schnell eine neue Verordnung, um den Post-Mindestlohn zu „retten“, während der AGV-NBZ und Mitbewerber der Post bereits darüber spekulieren, wie andere Wettbewerbsvorteile der Post wie z.B. die Mehrwertsteuerregelung gecancelt werden können.
Angesichts der Tatsache, dass die Regierungsparteien CDU und FDP in Frage des Postmindestlohnes nicht einig sind, wobei besonders die FDP strikt dagegen ist, kann man gespannt sein, ob und wie schnell die Regierung eine Lösung findet.

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Das Thema Mindestlohn wird uns weiter beschäftigen. Es ist untrennbar unter anderem mit dem Thema Hartz IV, insbesondere Hartz IV-Aufstockung verbunden.

Die juristischen Fragen zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall sind einfach gelagert. Es ist ein wirklich unnötiger Fehler beim Zustandekommen der Verordnung passiert. Es ist richtig, dass das Bundesverwaltungsgericht so entschieden hat. Aber: Viel wichtiger ist in meinen Augen die Frage, wie wir uns als Gesellschaft, als Verbraucher zu dem Thema stellen.

Sollen wir jubeln und uns freuen, dass die Zustelldienste weiterhin so schön billig bleiben? Sollen wir darüber seufzen, dass das Urteil „viele Tausend Arbeitsplätze zu spät kommt“ (so der Präsident des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ), Florian Gerster), weil der Mindestlohn ja daran schuld ist, dass diese Arbeitsplätze vernichtet wurden, nicht wahr? Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der Mindestlohn ist schuld an der Vernichtung von Arbeitsplätzen. Sind nicht wir als Verbraucher und Kunden von Dienstleistung jeglicher Art mit schuld, wenn´s immer noch ein bisschen billiger sein soll? Und ist es nicht eine gewaltige Schieflage, wenn es Menschen gibt, die in einem Vollzeitjob schuften und dann trotzdem noch ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen, weil der Hungerlohn nicht zum Leben reicht? Ist das nicht entwürdigend? Ich meine schon.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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