5 Mai
2010

Betriebsbedingte Kündigung – Leiharbeiter nicht per se „Stellenklauer“

von Dr. Sandra Flämig Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht – Stuttgart

Leiharbeiter haben es nicht leicht. Sie sind meist schlechter bezahlt als die Stammbelegschaft, haben einen weniger sicheren Job und können zwischen die Fronten geraten, wenn ein Arbeitgeber Arbeitsplätze abbaut und Stammarbeitnehmer kündigt, in Zukunft aber (gelegentlich?) mit Leiharbeitern weiterarbeitet.

Einen solchen Fall hatte das LAG Köln (11 Sa 320/09) zu entscheiden. Zwei Dinge sollen uns hier interessieren:

1. Interessenausgleich mit Namensliste und seine Folgen für den gekündigten Arbeitnehmer.

2. Können Stellen, die mit Leiharbeitern besetzt werden als „freie Stellen“ betrachtet werden?


Der Sachverhalt, den das LAG Köln zu entscheiden hatte, lautete (verkürzt) wie folgt: Die klagende Arbeitnehmerin war Produktionsmitarbeiterin bei einem Hersteller für Tiernahrung. Es gab einen Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter. Die klagende Arbeitnehmerin stand auf dieser Liste für den Bereich der Produktion. Ab und zu setzte der Arbeitgeber in der Zeit vor der Kündigung, während des Laufs der Kündigungsfrist und nach deren Ablauf immer wieder Leiharbeiter ein. Die Anzahl schwankte stark. Die Arbeitnehmerin konnte vor Gericht nicht belegen, dass beim Arbeitgeber Stammarbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt wurden. Unstreitig war zwischen den Parteien nur, dass der Arbeitgeber Leiharbeiter für unvorhergesehen Vertretungsbedarf immer wieder als Aushilfen beschäftigte.

Das Arbeitsgericht hatte die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin abgewiesen. Die Berufung der Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg.

Grund war, dass bei einem Interessenausgleich mit Namensliste vom Gesetz vermutet wird, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt, also (vereinfacht gesagt) wirksam ist (§ 1 Abs. 5 , Satz 1 KSchG). Es wird dann auch vermutet, dass es keinen anderen freien Arbeitsplatz gibt, auf dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden kann. Das bedeutet für den klagenden Arbeitnehmer, dass er darlegen und beweisen muss, dass sein Arbeitsplatz nicht weggefallen ist. Läge keine Namensliste vor, träfe die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitsplatz weggefallen ist und es auch keine andere freie Stelle gibt, den Arbeitgeber. Im vorliegenden Fall hätte die Arbeitnehmerin also substantiiert darlegen müssen, wieso ihr Arbeitsplatz trotz der vom Arbeitgeber vorgenommenen Umstrukturierungen nicht weggefallen ist. Wahlweise hätte sie auch darlegen können, wo genau sie denn sonst im Betrieb hätte beschäftigt werden können.

Frei sind solche Arbeitsplätze, die beim Ausspruch der Kündigung unbesetzt sind oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, wenn der Arbeitgeber das frei werden des Arbeitsplatzes bei Ausspruch der Kündigung vorhersehen konnte.

Die klagende Arbeitnehmerin hatte also eine ganze Menge vorzutragen. Sie hat auch einiges vorgetragen, konnte das Gericht aber nicht überzeugen.

Hier soll vor allem auf die Frage der Leiharbeiter eingegangen werden, die „schwankend“ eingesetzt wurden. Das LAG Köln entschied, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerin nicht schon deshalb entsteht, weil der Arbeitgeber Leiharbeiter einsetzt. Stellen, die mit Leiharbeitern besetzt werden, können nach Ansicht des LAG Köln nur dann als freie Stellen zu betrachten werden, wenn die Leiharbeiter nicht nur als vorübergehende Personalreserve zur Abdeckung eines unvorhersehbar auftretenden Beschäftigungsbedarfs beschäftigt werden.

Einfach:

Leiharbeiter als Dauerlösung = freie Stelle;

Leiharbeiter als vorübergehende Personalreserve für unvorhergesehene Fälle = keine freie Stelle

Was sollten Sie sich davon merken?

1. Bei Interessenausgleich mit Namensliste wird es schwierig für den Arbeitnehmer. Er muss gut recherchieren aber die Lage ist nicht völlig aussichtslos. Mit guten Argumenten kann er aber auch so einen Prozess gewinnen. Jedoch hängen die Trauben höher als in einem „normalen“ Kündigungsschutzprozess wegen betriebsbedingter Kündigung.

2. Bei Einsatz von Leiharbeitern im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen muss man genau hinschauen, wie diese eingesetzt werden. Auch hier gilt: Der Arbeitnehmer muss sehr dezidiert darlegen. Die pauschale Aussage: „Der beschäftigt aber einen Haufen Leiharbeiter.“ genügt nicht.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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