26 Sep
2013

Beleidigung des Arbeitgebers auf Facebook – Kündigung möglich?

Sie sind Arbeitgeber. Stellen Sie sich mal vor, einer Ihrer Mitarbeiter bezeichnet Sie in einer Facebook-Gruppe als „asozialer Gesellschafter“ oder schreibt in Bezug auf Sie und Ihr Unternehmen Bemerkungen wie: „ich kotze gleich“ und „Lügen“? Was würden Sie tun? Fristlos kündigen oder? Das dachte sich auch ein Arbeitgeber in Hessen. Grundsätzlich liegen Sie als Arbeitgeber da auch richtig. Beleidigungen des Arbeitgebers in sozialen Netzwerken berechtigen zur Kündigung. Doch ist jeder Fall ein Einzelfall und kann ggf. auch zu einer anderen Bewertung führen.

Das Landesarbeitsgericht Hessen (21 Sa 715/12) hatte folgenden Fall zu entscheiden:

Ein Arbeitnehmer war seit über 28 Jahren bei seinem Arbeitgeber angestellt. Er hatte einen Grad der Behinderung von 50. Sein Arbeitgeber war seit 2006 nicht mehr tarifgebunden. 2011 hatte er mit fast allen Arbeitnehmern (auch mit dem Kläger) neue Arbeitsverträge geschlossen. Anfang September 2011 informierte der Arbeitgeber seine Mitarbeiter über die angespannte wirtschaftliche Situation. Im Oktober rief ver.di zu Warnstreiks auf. 25 % der Beschäftigten folgten dem Aufruf. Es kam bis zum Winter 2011 immer wieder zu Warnstreiks. Gegen Ende Oktober veröffentlichte der Kläger bei Facebbook in der offenen Gruppe „Wir machen Druck“ folgendes:

„ich kotze gleich … so asoziale Gesellschafter gibt’s wohl kaum ein 2tes Mal: (Wie viele Lügen, sowie Gehälter bei Neulingen, welche vor dem Gesetz als „Sittenwidrig“ gelten, soll es noch geben:“ (Aus dem Tatbestand des LAG-Urteils)

Am 7. Dezember wurde der klagende Arbeitnehmer zu diesem Eintrag angehört. Der Kläger gab zu, den Eintrag verfasst zu haben. Es folgte dann die Anhörung des Betriebsrates zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der Betriebsrat erhob Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung und Widerspruch gegen die ordentliche Kündigung. Es wurde auch die Schwerbehindertenvertretung angehört  und schließlich das Integrationsamt um Zustimmung zur Kündigung ersucht. Die Zustimmung erfolgte und nach ihr die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Er trug vor, dass er sich nicht nur in dem Forum bei Facebook in überzeugender Weise entschuldigt habe. Er habe den Eintrag auch gelöscht. Er hat sich damit öffentlich entschuldigt, dass er beruflich am Limit war, wie alle Kollegen, die sehr viel Arbeit aufgebrummt bekommen hatten. Außerdem sei es bei ihm privat gerade sehr schlecht gelaufen. Es sei alles zusammen gekommen und er wolle sich aufrichtig entschuldigen. Das Ganze wiederholte er dann noch einmal ein paar Tage später, als er vergeblich per sms versucht hatte, mit den Geschäftsführern Kontakt für eine Entschuldigung aufzunehmen.

Das Arbeitsgericht hatte die fristlose Kündigung für unzulässig  aber die ordentliche Kündigung als gerechtfertigt angesehen. Beide Parteien legten Berufung ein. Schließlich unterlag der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer behielt also seinen Arbeitsplatz.

Das LAG machte aber deutlich, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Für die Kündigung sprach, dass es sich wirklich um eine derbe Beleidigung gehandelt habe, die geeignet sei, eine Kündigung zur rechtfertigen, weil der Arbeitnehmer damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Außerdem sei eine solche Beleidigung nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Überdies können sich solche Nachrichten im Internet schnell verbreiten.

Gegen die Kündigung sprach aus Sicht des LAG, dass das Arbeitsverhältnis 28 Jahre lang störungsfrei verlaufen war, dass der Arbeitnehmer sich wirklich ernsthaft entschuldigt hatte und dass Facebookeinträge äußerst schnelllebig seien. Schließlich berücksichtigte das Gericht, den Hintergrund der Auseinandersetzung – die Nerven der Parteien hatten blank gelegen.

Das Urteil zeigt, dass man als Arbeitnehmer auf Messers Schneide tanzt, wenn man seinen Arbeitgeber, Kollegen, Kunden oder Vorgesetzte in sozialen Netzwerken negativ erwähnt. Man sollte die Finger davon lassen. Der vorliegende Fall war ein Einzelfall und er hätte durchaus auch anders entschieden werden können. Man kann also jedem nur raten, erst mal eine Nacht darüber zu schlafen, bevor man seinem Herzen Luft macht bzw. dies privat und nicht öffentlich zu tun.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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