28 Jun
2011

Befristungsgrund „Vertretung“ europarechtskonform?

Hier geht es um § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz, der lautet:

„Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn ….

3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird …..,“

Das Bundesarbeitsgericht hat am 17.11.2010 (BAG 7 AZR 443/09) durch einen Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof sinngemäß folgende 2 Fragen zur Klärung vorgelegt,

  1. 1. Ist es mit Europarecht vereinbar, wenn man § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz so auslegt, dass eine wiederholte Befristung auch dann möglich ist, wenn ein ständiger Vertretungsbedarf vorliegt und man auch unbefristet einstellen könnte.
  2. 2 . Für den Fall, dass der EuGH die erste Frage verneint: Kann man einen ständigen Vertretungsbedarf durch aufeinanderfolgende Befristungen decken, wenn der deutsche Gesetzgeber mit einer Regelung, wie § 21 Abs. 1 BEEG auch das sozialpolitische Ziel verfolgt, die Inanspruchnahme von Sonderurlaubaus Gründen des Mutterschutzes und der Erziehung zu erleichtern?

§ 21 Abs. 1 BEEG regelt folgendes:

„Ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes oder für diese Zeiten zusammen oder für Teile davon eingestellt wird.“

In dem Fall, der dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorlag war eine Justizangestellte von 1996 bis 2007 13 Mal befristet beschäftigt worden. Grund war immer Elternzeitvertretung oder Sonderurlaub der Kolleginnen, die sie vertreten musste. In den beiden Vorinstanzen hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg.

Bislang hatte auch das Bundesarbeitsgericht immer nur den letzten Vertrag geprüft und geschaut ob der Sachgrund „Vertretung“ vorliegt. Ob es einen ständigen Vertretungsbedarf gibt, den der Arbeitgeber auch mit unbefristeten Kräften decken kann, wurde bislang nicht beachtet.

Jetzt sieht das Bundesarbeitsgericht aber, dass es Europarecht zuwider laufen könnte, wenn man einen ständigen Vertretungsbedarf hat und diesen mit einer unbefristet eingestellten Personalreserve abdecken kann. Der EuGH hatte bereits einen solchen Fall entschieden und festgestellt, dass es europarechtswidrig ist, wenn ein ständiger Vertretungsbedarf durch Kettenbefristungen gedeckt wird.

Der EuGH hat bislang noch nicht entschieden aber es ist zu erwarten, dass er pro Arbeitnehmer und gegen die Kettenbefristung bei ständigem Vertretungsbedarf entscheidet.


von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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