24 Okt
2013

Befristung von Arbeitsverträgen – LAG Baden-Württemberg contra BAG

Führt eine Vorbeschäftigung bei einem Arbeitgeber für immer zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr ohne sachlichen Grund befristet eingestellt werden darf? Kann eine Beschäftigung für wenige Wochen vor, beispielsweise, 15 Jahren dazu führen, dass ich als Arbeitgeber diesen Menschen heute (15 Jahre später) nicht mehr befristet einstellen kann? Das Teilzeit- und Befristungsgesetz spricht eine klare Sprache. Dort steht, dass eine Beschäftigung „bereits zuvor“ einer Befristung ohne sachlichen Grund entgegen steht. Was aber bedeutet „bereits zuvor“? Ganz klar: „jemals zuvor“. Es ist zeitlich nicht eingeschränkt. Eigentlich … 

In diesem Blog habe ich schon über das kuriose Urteil  des Bundesarbeitsgerichts vom 6.4.2011 (Az.: 7 AZR 716/09) berichtet. Da hatte das BAG die Formulierung „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz als „maximal 3 Jahre zuvor“ ausgelegt und dass obwohl es keinerlei Anhaltspunkt im Gesetz oder der Gesetzesbegründung für dieses Auslegungsergebnis gibt.

Es fühlte sich ein bisschen magisch an: Im Märchen hat man bei der guten Fee auch immer 3 Wünsche frei, aller guten Dinge sind 3 und 3 Mitspieler braucht man zum Skatspielen…. Warum also nicht „bereits zuvor“ in „maximal 3 Jahre zuvor“ umdeuten?  Die magische Zahl 3 begegnet uns auch im Gesetz bisweilen: 3 Jahre ist die Regelverjährung. Diese Begründung zog das BAG dann auch heran, um die „maximal 3 Jahre zuvor“ zu begründen.

Das ist aber dogmatisch nicht sauber. Das Bundesarbeitsgericht ist nicht Gesetzgeber und auch wenn die Überlegung des BAG vom gesunden Menschenverstand her absolut zu befürworten ist, so durfte sie doch nicht so umgesetzt werden.

Das hat das LAG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 26.9.2013 (6 Sa 28/13, bisher nur Pressemitteilung) auch so gesehen. Es hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Arbeitnehmer vom 27.8.2007 bis 30.11.2007 bei einem Arbeitgeber beschäftigt war und dann wieder vom 1.2.2011 bis 30.6.2011, verlängert bis 31.5.2012 und weiter verlängert bis 31.1.2013. Wenn man der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt wäre, dann wäre die Befristung aus den Jahren 2011 bis 2013 wirksam gewesen, denn die Vorbeschäftigung im Jahr 2007 lag länger als 3 Jahre zurück.

Das LAG Baden-Württemberg ließ sich jedoch von der höchst seltsamen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht beeindrucken. Es hat ausgeführt, dass auch die richterliche Rechtsfortbildung Grenzen hat und sich nicht über den ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen darf. Dieser Wille des Gesetzgebers sei dahin gegangen, eben gerade keine Frist aufzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hätte, so das LAG Baden-Württemberg,  § 14 Abs. 2 TzBfG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung auf Verfassungskonformität vorlegen müssen. Außerdem weiche die Rechtsprechung des 7. Senats von der des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ab. Auch dazu hat das Gesetz eine Regelung getroffen: Beim Bundesarbeitsgericht ist ein Großer Senat gebildet. Dort werden zwischen den einzelnen Senaten streitige Punkte einheitlich entschieden. Das entsprechende Verfahren ist in § 45 Arbeitsgerichtsgesetz geregelt, der wie folgt lautet:

§ 45 Großer Senat

(1) Bei dem Bundesarbeitsgericht wird ein Großer Senat gebildet.

(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten, je einem Berufsrichter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt, und je drei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Berufsrichter des Senats, dem er angehört, an seine Stelle.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.“

Das LAG Baden-Württemberg hat demzufolge die Befristung für unwirksam angesehen mit der Folge, dass der Arbeitnehmer nun ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber hat. Es hat selbstverständlich die Revision zugelassen. Mal sehen, ob sich das Bundesarbeitsgericht von dem Urteil des LAG Baden-Württemberg beeindrucken lässt oder ob es an seiner Rechtsprechung festhält.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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