Das Bundesarbeitsgericht hat am 25.10.2012 (Az.: 2 AZR 700/11) einen Fall zu einer fristlosen Kündigung eines Lehres entschieden. Es handelte sich um eine Verdachtskündigung, d.h. der Arbeitgeber konnte die Tat nicht nachweisen, hatte aber einen dringenden Verdacht, dass der Lehrer die Tat auch begangen hatte.
Der klagende Lehrer war seit 2002 bei dem beklagten Land beschäftigt. 2003 wurde er rechtskräftig zu einer Geldstrafe wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen verurteilt und bekam eine Abmahnung, die aber Anfang 2007 wieder aus der Personalakte entfernt wurde. Im August 2008 wurde gegen den Lehrer Anklage erhoben wegen des dringenden Tatverdachts, sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren vorgenommen zu haben. Nachdem der Arbeitgeber von der Anklage Kenntnis erhalten hatte, wurde der Lehrer suspendiert und bekam Gelegenheit zur Stellungnahme. Diese nutzte er auch und teilte mit, dass ein Gutachter zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die einzige Belastungszeugin, das die Glaubwürdigkeit 8-jährige Mädchen, an dem er die sexuellen Handlungen vorgenommen haben soll, unzureichend sei. Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens sei nicht zu rechnen. Der Arbeitgeber hat dennoch fristlos gekündigt.
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Das Land beantragte Klageabweisung. Es vertrat die Ansicht, dass es sich auf die strafrechtlichen Wertungen der Staatsanwaltschaft habe verlassen können und wenn die schon zu dem Ergebnis kommen, dass der Tatverdacht so schwer wiegt, dass Anklage erhoben werden kann, dann müsse man auch kündigen können. Schon allein der Verdacht, der Kläger habe sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen, wiege so schwer, dass das Vertrauensverhältnis dahin sei. Maximal könne man die fristlose Kündigung in eine ordentliche Kündigung umdeuten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat das Verfahren ausgesetzt bis zur strafrechtlichen Entscheidung. Die Eröffnung der strafrechtlichen Hauptverhandlung wurde von der zuständigen Jugendschutzkammer abgelehnt, weil die Hauptbelastungszeugin unglaubwürdig war. Daraufhin hat das LAG der Klage stattgegeben. Das Land ging in Revision zum Bundesarbeitsgericht und verlor auch dort.
Das BAG führt aus, dass eine Verdachtskündigung grundsätzlich möglich ist. Es ist dafür jedoch erforderlich:
Des Weiteren muss der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, den Sachverhalt aufzuklären und den Arbeitnehmer angehört haben.
Dabei ist es erforderlich, so das BAG sehr deutlich, dass der Arbeitgeber die konkreten Tatsachen, auf die er seinen Verdacht stützt, auch beweist und der Verdacht muss so schwer wiegen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass er zutrifft. Es darf also keinen alternativen Geschehensablauf geben. Die strafrechtliche Bewertung ist für die Beurteilung der Kündigung irrelevant. Beide Verfahren sind getrennt voneinander zu beurteilen, so das BAG knallhart. Für die arbeitsrechtliche Sicht kommt es auf einen Vertragsverstoß an. Dieser muss vom Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden. Der Arbeitgeber kann sich nicht allein darauf stützen, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat. Der Arbeitgeber muss selbst versuchen, den Sachverhalt aufzuklären und zwar mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Dies alles hat das beklagte Land versäumt und unterlag daher zu Recht.