18 Feb
2013

BAG zum Kündigungsschutz im Kleinbetrieb – Leiharbeiter können mit zählen

Das Bundesarbeitsgericht hat am 24.1.2013 (Az.: 2 AZR 140/12) eine für Inhaber und  Mitarbeiter von Kleinbetrieben maßgebliche Entscheidung getroffen. Bislang liegt nur die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vor (PM 6/13).

Ausgangspunkt ist § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG, der wie folgt lautet:

“ In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.“ (Hervorhebung von mir)

Was da ziemlich kryptisch daher kommt heißt im Klartext:

– Das Kündigungsschutzgesetz ist erst dann anwendbar, wenn in dem Betrieb „in der Regel“ mehr als 10 Volzeitarbeitnehmer beschäftigt sind. Azubis werden nicht gezählt. (Teilzeiter nach Stundenanteil: bis 20 Std. 0,5, bis 30 Stunden 0,75 und darüber 1,0)

– Da der Schwellenwert bis 31.12.2003 bei „mehr als 5“ Arbeitnehmer lag, gilt für die Arbeitnehmer des Betriebes, die schon vor dem 31.12.2003 beschäftigt waren, der alte Schwellenwert. D.h., wenn ihnen heute gekündigt wird und es sind aus der Zeit vor dem 31.12.2003 noch mehr als 5 Mitarbeiter an Bord, dann genießen sie Kündigungsschutz. Sind von den alten Hasen aus der Zeit vor dem 31.12.2003 aber einige ausgeschieden und es sinkt ihre Anzahl auf unter 5, so genießen sie erst dann wieder Kündigungsschutz, wenn der Betrieb insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer hat.

Das war aber im vorliegenden Fall nicht die Frage. Es handelte sich um einen Arbeitnehmer, der seit 2007 in einem Betrieb arbeitete, der mit ihm genau 10 Arbeitnehmer aufwiese. Daneben waren aber einige Leiharbeitnehmer beschäftigt. 2009 bekam der Kläger die Kündigung und erhob Kündigungsschutzklage. Er unterlag beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht. Beide Instanzen sahen den Schwellenwert für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht erreicht. Das Argument des Klägers, es seinen ständig Leiharbeiter beschäftigt, ließen sie nicht gelten. Das sah das Bundesarbeitsgericht aber grundsätzlich anders.

Es argumentierte vom Sinn und Zweck der Herausnahme von Kleinbetrieben aus dem Kündigungsschutzgesetz. Kleinbetriebe sind in der Regel inhabergeführt, wirtschaftlich nicht besonders stark, mit geringen Kapazitäten im Verwaltungsbereich ausgestattet. So ein Kündigungsschutzprozess erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand, die Kosten sind hoch und die Nähe zwischen Chef und Personal ist sehr eng. Aus diesem Grund wollte der Gesetzgeber dem Inhaber des Kleinbetriebes eine erleichterte Kündigungsmöglichkeit bieten und ihn aus dem Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes herausnehmen. Wenn aber ein Kleinbetrieb einen regelmäßigen Personalbedarf mit Leiharbeitnehmern abdeckt, dann bedarf es dieses Schutzes nicht mehr. Es komme nicht darauf an, ob die Leiharbeitnehmer beim Betriebsinhaber unter Vertrag stehen. Was ja tatsächlich nicht der Fall ist, denn sie sind Arbeitnehmer des Verleihers. Es kommt nur darauf, dass es sich um Arbeitnehmer handelt, mit denen der Arbeitgeber unter Umständen einen regelmäßigen Personalbedarf abdeckt. Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen. Das LAG muss nun aufklären, ob es sich bei dem Einsatz der Leiharbeitnehmer um einen regelmäßigen Personalbedarf handelt und ob es sich somit um „in der Regel“ mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer in dem Betrieb handelt. Was genau „regelmäßig“ bedeutet, ist der Pressemitteilung nicht  zu entnehmen. Man wird auf das Urteil warten müssen.

FAZIT:
Es wird schwierig für Arbeitgeber, das Kündigungsschutzgesetz mittels Einsatz von Leiharbeitnehmern zu umgehen, wenn dies der Plan sein sollte. Handelt es sich nur um einen vorübergehenden Einsatz von Leiharbeitnehmern, dürften diese jedoch weiterhin nicht mitzuzählen sein. Angesichts des neuen Urteils des Bundesarbeitsgerichts ist die Prüfung vor Ausspruch einer Kündigung jedoch sorgfältig durchzuführen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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