3 Jan
2013

Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei Vertragsverhandlungen

Über das Fragerecht des Arbeitgebers und damit im Zusammenhang stehende Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers wurde schon des Öfteren berichtet. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte jedoch am 9.10.2012 (3 Sa 247/12 )den umgekehrten Fall zu entscheiden: Was muss der Arbeitgeber bei Vertragsanbahnungen von sich aus preisgeben bzw. wann macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig?

Folgender Sachverhalt lag dem Gericht zur Entscheidung vor:

Ein zum Zeitpunkt der Entscheidung 38-jähriger Familienvater (2 Kinder) verdiente gut bei seinem Arbeitgeber (durchschnittlich 5.545 Euro monatlich). Wie viele Arbeitnehmer – aus Karrieregesichtspunkten auch sinnvoll – hatte er ein Xing-Profil. Ein Headhunter wurde auf ihn aufmerksam und begann ihn im Namen seines Auftraggebers und späteren Beklagten, zu umgarnen. Der Kunde des Headhunters suchte einen Vertriebsmitarbeiter. Was der suchende Arbeitgeber jedoch sowohl dem Headhunter als auch dem klagenden Arbeitnehmer in allen Gesprächen verschwieg war die Tatsache, dass man in der Abteilung, die der klagende Arbeitnehmer durch den Vertrieb unterstützen sollte, bereits Kurzarbeit angeordnet war. Der beklagte Arbeitgeber wusste auch, dass der klagende Arbeitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stand, dass er nicht von sich aus auf den beklagten Arbeitgeber zugegangen sondern vielmehr vom Headhunter im Auftrag des beklagten Arbeitgebers angesprochen und schließlich abgeworben worden war. Offensichtlich lockte die Bezahlung, denn es waren neben einem Fixum von 63.000 Euro nach Ablauf der sechsmonatigen Probezeit noch eine variable Jahresvergütung von 27.000 bei 100% Zielerreichung vereinbart. Der Vertrag wurde unterschrieben, beim alten Arbeitgeber gekündigt und los ging´s. Aber nicht lange währte die Freude über den lukrativen Job, denn noch innerhalb der Probezeit mit der kurzen Kündigungsfrist von 2 Wochen wurde dem Neuen gekündigt. Dieser zog vors Arbeitsgericht und wollte zunächst den Erhalt des Arbeitsplatzes. Da er aber nach immerhin 9 Monaten wieder einen Job hatte, lies er diesen Antrag fallen und wollte nunmehr noch Schadensersatz in Höhe von rund 13.000 Euro für die Zeit vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Beginn seines neuen Jobs. Der Arbeitnehmer fühlte sich über den Tisch gezogen und stützte seinen Anspruch auf Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo). Der Arbeitnehmer vertrat die Ansicht, dass der Arbeitgeber ihn beim Abschluss des Vertrages darüber hätte aufklären müssen, dass es ihm wirtschaftlich nicht gut gehe und er schon Kurzarbeit angeordnet habe. Dies gelte bei ihm ganz besonders, weil der beklagte Arbeitgeber wusste, dass er in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis sattelfest war und schon viele Jahre dabei. Die Beklagte hätte wissen müssen, dass die Information über die Kurzarbeit seine Entscheidung beeinflusst hätte. Ihm sei die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ausgesprochen worden.

Die Beklagte wehrte sich dagegen: Sie trug vor, dass die Kündigung nichts mit der wirtschaftlichen Lage zu tun habe. Der Kläger habe seine Ziele nicht erreicht und sei deshalb gekündigt worden. Überdies, so der Arbeitgeber, bestehe keine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Kurzarbeit und wirtschaftlichen Lage.

Der Arbeitnehmer unterlag beim Arbeitsgericht und auch beim Landesarbeitsgericht. Die Kurzarbeit in einer Abteilung bedeute nicht, dass die Durchführung des gesamten Arbeitsverhältnisses in Frage stehe. Außerdem sollte er im Vertrieb ja gerade dafür sorgen, dass die Abteilung, in der Kurzarbeit angeordnet war, wieder etwas zu tun bekommt. Erhebliche Zahlungsschwierigkeiten habe die Beklagte nicht. Die Kurzarbeit in einer Abteilung sei nicht mit erheblichen Zahlungsschwierigkeiten gleichzusetzen. Damit wurde auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Offenbarungspflicht des Arbeitgebers umrissen:

Offenbarung nur dann, wenn die vollständige Durchführung des Arbeitsverhältnisses in Frage steht. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind nur dann zu offenbaren, wenn der Vertragszweck dadurch vereitelt werden kann (Bundesarbeitsgericht 6 AZR 626/09).

Arbeitsgericht und LAG haben also richtig im Sinne der BAG-Rechtsprechung entschieden: Keine Offenbarungspflicht im vorliegenden Fall.

Das LAG gab dem Kläger und allen anderen Arbeitnehmern aber noch einen Rat: Wem die Auftragslage seines zukünftigen Arbeitgebers wichtig ist und wer genau wissen will, wie es wirtschaftlich um den Neuen bestellt ist, der kann fragen und muss dann auch eine wahrheitsgemäße Antwort bekommen.

Fazit: Genau das: Fragen, was einem wichtig ist. Sich nicht von der Tatsache, dass ein Headhunter bei einem anruft die Sinne vernebeln lassen. Es ist zwar betörend, wenn man umworben wird, das ist im Arbeitsleben nicht anders als im Privatleben. Aber dennoch ist der Satz „Drum prüfe, wer sich ewig bindet.“ gerade im Arbeitsleben nicht von der Hand zu weisen.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

Sandra Flämig hat 4,99 von 5 Sternen 171 Bewertungen auf ProvenExpert.com