24 Aug
2012

Aufhebungsvertrag – Rechtsschutzversicherung muss in der Regel zahlen

Es ist immer dasselbe: Einem rechtsschutzversicherten Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber ein Aufhebungsvertrag vorgelegt, begleitet von den – sinngemäßen – Worten „Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder unterschreiben Sie den Aufhebungsvertrag oder wir müssen Ihnen kündigen.“ Der Arbeitnehmer geht zum Anwalt, will sich beim Abschluss des Vertrages beraten lassen und fühlt sich abgesichert durch die Rechtsschutzversicherung. Doch die will zumindest im ersten Anlauf in der Regel nicht zahlen und das, obwohl es seit November 2008 eine sehr klare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dazu gibt.

Im Einzelnen:

Maßgeblich ist das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.11.2008, Az.: IV ZR 305/07. Dort wurden die § 14 Abs. 3 ARB 75 und § 4 Abs. 1, Satz 1 c ARB 94 behandelt.

Die aktuell von den Versicherungen verwendeten Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) enthalten entsprechende Regelungen, so dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch heute noch gilt.

Die Regelung in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen lautet in der Regel wie folgt (hier Quelle: ARB 2012 AdvoCard):

 

„ § 4 …

(1)  Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles

……

d) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. …“

 

Im Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, war einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mitgeteilt worden, dass sein Arbeitsplatz aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen wegfallen würde und man ihn deswegen betriebsbedingt kündigen werde, wenn er den Aufhebungsvertrag (mit Abfindung)  nicht unterschreiben würde. Bei einer Kündigung gebe es keine Abfindung. Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Eine Sozialauswahl habe man durchgeführt, gebe ihm aber die Sozialdaten der anderen Arbeitnehmer nicht, weil es sich um interne Personaldaten handele und diese geschützt werden müssten. Der Arbeitnehmer ging zum Anwalt, lies sich beraten und  auch ggü. dem Arbeitgeber vertreten. Die Kostennote des Anwalts bezahlte er und reichte sie zur Erstattung bei seiner Rechtsschutzversicherung ein. Die Versicherung verweigerte die Erstattung, denn sie war der Ansicht, dass die Androhung einer Kündigung noch kein Rechtsverstoß sondern eine reine Absichtserklärung. Die Rechtsposition des Arbeitnehmers werde durch die Androhung der Kündigung nicht verändert.

 

Der Arbeitnehmer bekam beim Amtsgericht, beim Landgericht und schließlich beim Bundesgerichtshof Recht.

 

Die Versicherung musste die Anwaltsgebühren bezahlen.

Der Bundesgerichtshof machte es ganz deutlich: Schon die Androhung einer Kündigung (nebenbei: Es muss sich nicht unbedingt um eine betriebsbedingte handeln; jede andere Kündigung ist damit auch gemeint.) stellt einen Rechtsverstoß dar und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung rechtmäßig wäre.

Letzteres fragen die Rechtsschutzversicherungen nämlich gern und suggerieren damit, dass es darauf ankäme. Tut es aber nicht.

 

Die Androhung einer Kündigung verschlechtert die Rechtsposition des Arbeitnehmers und stellt damit einen Rechtsschutzfall dar.

 

 

Der Bundesgerichtshof hat folgende 3 Voraussetzungen aufgestellt:

 

–       Es muss ein vom Arbeitnehmer (Versicherungsnehmer) vorgetragener objektiver Tatsachenkern vorliegen. Man muss sich also fragen, ob der vom Arbeitnehmer beschriebene Vorgang den Konflikt mit ausgelöst hat und damit den Keim einer zukünftigen Auseinandersetzung in sich trägt. Das sind sehr niedrige Anforderungen. Das Vorlegen eines Aufhebungsvertrages trägt den Keim eines Konfliktes in sich. Es sei denn, der Arbeitnehmer hat darum gebeten, weil er einen neuen Job hat. Aber darum geht es hier nicht. Immer dann, wenn der Arbeitgeber sich lösen will und dem Arbeitnehmer dazu einen Aufhebungsvertrag vorlegt, liegt darin der Keim für einen zukünftigen Konflikt. Rechtsschutzversicherungen verlangen oft viel mehr. Zu Unrecht.

 

–       Der Arbeitnehmer muss den vorgetragenen Tatsachenkern mit dem Vorwurf des Rechtsverstoßes verbinden. Dabei liegt schon dann ein Rechtsverstoß vor, wenn der Arbeitnehmer einen Pflichtverstoß nur behauptet. Es kommt also nicht darauf an, ob sich diese Behauptung bewahrheitet. Arbeitnehmer werden in dem Ansinnen des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden immer einen Rechtsverstoß sehen.

 

–       Der Arbeitnehmer muss auf den behaupteten Rechtsverstoß seine Rechtsverfolgung stützen. Er muss also sagen können: „Weil mir mein Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag angeboten und ansonsten mit Kündigung gedroht hat, bin ich in meinen Rechten verletzt und benötige anwaltliche Unterstützung, um nicht übervorteilt zu werden.“ Schließlich darf man nicht vergessen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages in der Regel zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führt und damit zu einem Rechtsverlust. Auch davor muss der Arbeitnehmer, so gut es geht, bewahrt werden.

 

Wie an diesem Urteil zu sehen ist, liegt die Latte für den Rechtsschutzfall beim Aufhebungsvertrag sehr niedrig. Gleichwohl zieren sich Rechtsschutzversicherungen in nahezu jedem Fall bei der ersten Anfrage. Es gelingt jedoch meist im zweiten oder dritten Anlauf, die Versicherung davon zu überzeugen, dass die Rechtsprechung des BGH eindeutig und sie einstandspflichtig ist.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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