5 Dez
2013

Arbeitsgerichtlicher Vergleich – kann man einen Widerruf einbauen?

Ein Leser dieses Blogs erzählte mir folgenden Fall:

Einer Arbeitnehmerin, Führungskraft aus dem mittleren Management, war mit fadenscheinigen Gründen nach nur wenigen Jahren Betriebszugehörigkeit, gekündigt worden. Offensichtlich war sie zu teuer, denn die Firma musste im großen Stil Personal abbauen. Bei der Kündigung war gleich mehrfach schlampig gearbeitet worden. Zum einen war die Betriebsratsanhörung inhaltlich falsch. Zum anderen war die Kündigung gar nicht richtig unterschrieben. Unter dem Kündigungsschreiben befand sich nur ein undefinierbarer „Krakel“, der vielleicht gerade noch als Paraphe aber nicht als Unterschrift gelten konnte.Die Frau nahm sich einen Anwalt, der schriftlich auch alles vortrug, was die Kündigung wahrscheinlich zu Fall bringen würde. Es kam der Gütetermin. Ihr Anwalt schickte eine Vertretung. Es lief gut für die klagende Arbeitnehmerin. Das Gericht sah die Kündigungsschutzklage als aussichtsreich an. Doch wie oft in Kündigungsstreitigkeiten, sah auch das Gericht das Tischtuch als zerschnitten an. Es würde faktisch keine gute Basis für eine Weiterarbeit geben. Aufgrund der sehr guten Erfolgsaussichten der Klägerin schlug es einen Vergleich vor, der eine sehr hohe Abfindung, gemessen an der kurzen Betriebszugehörigkeit, vorsah. Die Arbeitnehmerin war unsicher. Sie wollte und konnte sich nicht gleich entscheiden. Sie wollte eine Nacht drüber schlafen und sich mit ihrem eigentlichen Anwalt nochmals besprechen. Sie fragte den Vertreter ihres Anwalts, ob es nicht möglich sei, den Vergleich auf Widerruf zu schließen. Der Vertreter sagte ihr jedoch, dass das nicht möglich sei. Er erklärte ihr, dass ein widerruflicher Vergleich nur dann möglich sei, wenn eine Partei des Prozesses nicht anwesend und nur durch einen Anwalt vertreten sei oder nur dann, wenn zwar Anwalt und Partei anwesend sind aber der für die klagende oder beklagte Partei erschienen Vertreter sich intern abstimmen müsse. In ihrem Fall sein ein widerruflicher Vergleich daher nicht möglich, denn sowohl sie als auch ein sie vertretender Anwalt seien ja anwesend. Sie ließ sich verunsichern und „breitschlagen“, schloss den Vergleich ohne die Möglichkeit, ihn innerhalb einer kurzen Frist noch widerrufen zu können.

Die Frage des Lesers war:

Stimmt es, dass die Arbeitnehmerin in diesem Fall wirklich keinen widerruflichen Vergleich schließen durfte?

Ein Vergleich ist eine einvernehmliche Lösung für einen Rechtsstreit. Beide Seiten geben Rechtspositionen auf und beenden damit den Streit. Sie gewinnen Rechtssicherheit. Ein Vergleich ist eine freiwillige Sache. Man muss keinen Vergleich schließen. Und wenn man sich unsicher ist, dann ist es immer besser, nochmal drüber zu schlafen. Dafür gibt es den Vergleich mit der Möglichkeit des Widerrufs. Es wird dann der Vergleich geschlossen aber für eine Seite oder audh für beide wird die Möglichkeit eingeräumt, den Vergleich innerhalb einer kurzen Frist (in der Regle zwischen 1 bis 2 Wochen) zu widerrufen. Der rechtzeitige Widerruf führt dann dazu, dass der Vergleich nicht zustande kommt. Der Rechtsstreit wird dann fortgesetzt. Es ist zwar richtig, dass es manchmal auf wenig Verständnis bei Gericht und Gegner trifft, wenn eine durch einen Anwalt vertretene und anwesende Partei den Vergleich nur widerruflich abschließen will aber das heißt nicht, dass es nicht geht. Die Antwort lautet also: Es stimmt nicht, dass die Frau keinen widerruflichen Vergleich schließen durfte. Was bleibt? Sie kann jedenfalls nicht anfechten, denn sie hat sich weder geirrt, noch wurde sie getäuscht oder vom Gegner bedroht. Der Vergleich steht. Es bleibt die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, den Anwalt in die Haftung zu nehmen, der ihr sagte, sie könne keinen widerruflichen Vergleich schließen. Das sollte ein auf Anwaltshaftung spezialisierter Anwalt prüfen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Blog Rechtsirrtümer Arbeitsrecht

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