26 Jun
2012

Arbeitgeber zahlt nicht – was tun?

Teil 1: Die arbeitsrechtliche Seite

Es kommt leider immer wieder vor, dass der Arbeitgeber den vertraglich versprochenen Lohn ganz oder teilweise nicht zahlt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind für den Arbeitnehmer vor allem folgende Fragen zu prüfen:

–          Wann sollte ich meinen Arbeitgeber abmahnen und – auch mit fristloser – Kündigung für den Fall des erneuten Zahlungsverzuges drohen?

–          Wann sollte ich Klage auf Lohnzahlung erheben?

–          Ab wann kann ich meine Arbeitsleistung zurückbehalten, also dem Arbeitgeber mitteilen, dass ich aufgrund der fehlenden Lohnzahlung zu Hause bleibe, bis er zahlt?

–          Zahlt ggf. die Agentur für Arbeit, wenn mein Arbeitgeber nicht zahlt?

–          Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Es gibt sicherlich noch einige andere rechtliche Fragen (z.B. Zwangsvollstreckung), doch die oben genannten sind die dringendsten.

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Der Prozess ist häufig schleichend. Es beginnt mit einer Zahlungsverzögerung um einige Tage oder mit einer Teilzahlung, schleppt sich über Monate hin und wächst sich schließlich zu einem Zahlungsrückstand von mehreren Gehältern aus. Flankiert wird dies von hochherzigen Versprechungen und Vertröstungen des Arbeitgebers, dass er bald zahlen wird.

Arbeitnehmer warten, so zumindest meine Erfahrung, erst mal eine Weile ab. Sie tragen die Situation mit und haben Verständnis. Doch es kommt der Zeitpunkt, an dem die Situation ausweglos erscheint, weil sich die Versprechungen nicht erfüllen und das Geld knapp wird.

1.Die Abmahnung wegen Zahlungsverzuges

Wichtig ist, dass man auch als Arbeitnehmer nicht einfach fristlos kündigen kann. Es bedarf hier der Vorbereitung durch eine Abmahnung. Arbeitnehmern ist dies oft nicht bewusst, doch aus sie müssen dem Arbeitgeber vor einer fristlosen Kündigung die Chance geben, sein Verhalten zu ändern. Kommt der Arbeitgeber also mit der Lohnzahlung hinsichtlich des Betrages oder hinsichtlich der Zeit erheblich in Verzug, muss er abgemahnt werden. Der Arbeitnehmer muss in dieser Abmahnung zum Ausdruck bringen, dass er den Zahlungsverzug nicht länger dulden wird und ggf. auch fristlos kündigen wird, wenn es noch einmal passiert. Kommt der Arbeitgeber dann erneut in Verzug, kann der Arbeitnehmer fristlos kündigen.

2. Die Klage auf Lohnzahlung

Kommt der Arbeitgeber erheblich in Zahlungsverzug, wird sich der Arbeitnehmer fragen müssen, wie sicher seine Lohnforderungen sind. Es ist zwar richtig, dass Klagen im laufenden Arbeitsverhältnis die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stören. Es ist sorgfältig abzuwägen. Der Arbeitnehmer muss abschätzen, ob und wenn ja wie lange der Arbeitgeber noch solvent ist und wie lange der Arbeitnehmer noch auf Zahlungen verzichten kann. Dabei muss er auch im Auge behalten, das zwar die Klage recht schnell erhoben ist und in der Regel auch zum Erfolg führt. Ein Gerichtsverfahren dauert jedoch seine Zeit. Des Weiteren steht danach noch eine Zwangsvollstreckung an, die auch noch einmal Zeit „frisst“. Vorausschauendes handeln ist also geboten. Es ist besser, früher zu klagen, mit dem Arbeitgeber offen über die Klage zu reden und trotz der Klage zu versuchen, das persönliche Verhältnis positiv zu erhalten, als gar nicht zu klagen. Es besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer, je länger er wartet, mit seiner Forderung ausfällt – also in die Röhre schaut.

Neben bei sei hierzu bemerkt, dass zu einer Rechtsschutzversicherung im Arbeitsrecht unbedingt zu raten ist. Der Arbeitnehmer muss zumindest bis zum Abschluss der ersten Instanz seien Anwalt selbst bezahlen. Man kann sich vorstellen, dass dies bei einem Zahlungsrückstand von einigen Gehältern ganz schön ins Geld geht. Dies ist insbesondere dann ärgerlich, wenn beim Arbeitgeber nichts oder nicht mehr viel zu holen ist.

3.Das Zurückbehaltungsrecht

Der Arbeitnehmer ist zur Vorleistung verpflichtet. In der Regel ist er dies jedoch nur einen Monat lang (Die meisten Arbeitsverhältnisse sehen eine Zahlung nach Monaten vor.). Es stellt sich also die Frage, ob der Arbeitnehmer bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers einfach zu Hause bleiben kann, ohne seinen Lohnanspruch zu verlieren. Dies kann grundsätzlich mit „ja“ beantwortet werden. Jedoch muss unbedingt berücksichtigt werden, dass der Arbeitnehmer nicht bei jedem geringfügigen Zahlungsrückstand seine Arbeitsleistung zurückbehalten darf. Eine scharfe Grenze gibt es dafür nicht. Man wird zwar sagen können, dass schon die Nichtzahlung eines Gehalts ein erheblicher Zahlungsrückstand ist. Dabei ist jedoch auch zu beachten, ob der Arbeitgeber nicht doch kleinere Teilzahlungen geleistet hat etc. Wenn der Arbeitnehmer nach eingehender Prüfung (empfehlenswert: zusammen mit einem Rechtsanwalt) zu dem Ergebnis gelangt, dass er ein Zurückbehaltungsrecht hat, dann muss er dem Arbeitgeber mitteilen, dass, warum und wie lange er seine Arbeitsleistung zurückbehalten wird. Übt der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht berechtigterweise aus, behält er trotz Nichtleistung seinen Lohnanspruch und der Arbeitgeber darf ihm auch nicht wegen Arbeitsverweigerung kündigen. Übt der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht zu Unrecht aus, dann berechtigt dies den Arbeitgeber zur Abmahnung und ggf. sogar zur Kündigung. Des Weiteren drohen dem Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche. Es ist daher immer im Einzelfall zu prüfen, ob der Arbeitnehmer berechtigt ist, seine Arbeitsleistung zurückzubehalten.

4. Zahlt die Agentur für Arbeit, wenn der Arbeitgeber nicht zahlt?

Besteht noch ein Arbeitsverhältnis, wird aber der Arbeitnehmer tatsächlich nicht mehr beschäftigt, kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld nach § 157 Absatz 3 SGB III haben:

§ 157 Ruhen des Anspruchs bei Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung

(1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, für die die oder der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat.

(2) Hat die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses.

(3) Soweit die oder der Arbeitslose die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Hat der Arbeitgeber die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an die Arbeitslose, den Arbeitslosen oder an eine dritte Person gezahlt, hat die Bezieherin oder der Bezieher des Arbeitslosengeldes dieses insoweit zu erstatten.

Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Arbeitnehmer bzw. Zahlungsprobleme des Arbeitgebers sind Fälle, in denen eine Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld in Frage kommt. Der Gang zur Agentur für Arbeit ist daher unbedingt zu raten, zumal man sich auch „als von Arbeitslosigkeit bedroht“ melden kann und ggf. schon neue Jobangebote bekommt.

5. Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Das kann man nicht pauschal sagen. Wichtig ist eine gute Abwägung, in die auch die Agentur für Arbeit mit einbezogen werden muss, denn sie entscheidet bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers über die Verhängung einer Sperrzeit. Man sollte auch die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers im Auge haben und mögliche Perspektiven bei der Jobsuche. Ein Karriereberater ist daher auch mit zu den Überlegungen hinzuzuziehen. Im Idealfall kündigt man, wenn man schon einen neuen Job in Aussicht hat. Ist das nicht der Fall, kann eine Kündigung gleichwohl angezeigt sein, wenn man merkt, mit dem Arbeitgeber geht es immer weiter bergab. Man wird im Falle der Insolvenz dann mit vielen Kollegen um neue Jobs konkurrieren. Ein schnelles Ausscheiden ist aus dieser Sicht besser.

Wichtig ist, dass man den Zahlungsverzug des Arbeitgebers genau im Auge behält und sich frühzeitig beraten lässt, um handlungsfähig zu bleiben. Man sollte keinesfalls warten, bis einem finanziell selbst die Luft ausgeht.

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Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht – Rechtsanwältin Dr. Sandra Flämig
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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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