28 Nov
2013

Arbeitgeber: „Wie jetzt? Ich kann nicht einfach so kündigen? Wozu gibt es dann eine Kündigungsfrist?“

Wenn einem das Arbeitsrecht so in Fleisch und Blut übergegangen ist, wie mir als Fachanwältin, dann vergisst man manchmal, dass ganz einfache Basics Arbeitgebern nicht geläufig sind. Neulich wurde ich von einem Arbeitgeber mit deutlich mehr als 10 Mitarbeitern mit folgendem Sachverhalt konfrontiert:

Eine Mitarbeiterin hat einen schweren Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten begangen. Es handelte sich sogar um eine Straftat. Naja, ganz so einfach war es dann doch nicht. Was mir anfangs geschildert wurde, war genau das: Die Mitarbeiterin hat eine Straftat begangen. Wir wollen fristlos kündigen. Geht das? Ich war bei diesem Sachverhalt und nach Rücksprache mit einem Vertreter des Arbeitgebers zu dem Schluss gekommen: Wir können fristlos kündigen. Die Mitarbeiterin hatte so gravierend gegen Pflichten verstoßen, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Sie hatte zwar nur einmal gegen die Pflichten verstoßen aber sie wusste ganz genau, dass sie das nicht durfte, weil es sich um einen Kernbereich der Tätigkeit ihres Arbeitgebers handelte und sie im Arbeitsvertrag explizit unterschrieben hatte, dass sie sich an diese spezielle Pflicht halten würde. Im nochmaligen Gespräch mit dem Arbeitgeber, in dem eigentlich die Kündigung vorbereitet werden sollte, stellte sich dann aber heraus, dass es mitnichten so sicher war, wie zunächst dargestellt. Wir wussten zwar, dass die Tat begangen wurde, konnten es aber nicht beweisen. Eine bereits benannte Zeugin war unter keinen Umständen bereit, auch vor Gericht auszusagen. Das ist zum Haare raufen. Ohne Beweis war auch die Kündigung, sowohl die fristlose als auch die ordentliche, nicht mehr sicher.

Der Arbeitgeber fragte mich ganz verzweifelt: „Aber im Arbeitsvertrag steht doch, dass man mit einer Frist von x Monaten kündigen kann. Warum kann ich das nicht machen? Es muss ja nicht die fristlose sein.“

Ich musste ihm mitteilen, dass sein Betrieb mit deutlich mehr als 10 Arbeitnehmern in den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Ist das der Fall, muss man sich als Arbeitgeber warm anziehen. Es gibt nur noch 3 Kündigungsgründe: betriebsbedingte, verhaltensbedingte (alles, was vom Arbeitnehmer steuerbar ist) und personenbedingte (alles, was nicht vom Arbeitnehmer steuerbar ist) Gründe. Eine Kündigung muss durch einen der 3 Gründe gerechtfertigt sein. Der Arbeitnehmer muss zunächst nur bestreiten, dass betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe vorliegen. Der Arbeitgeber trägt dann die Darlegeungs- und Beweislast für das Vorliegen von Kündigungsgründen. Für unseren Fall bedeutet das: Wir müssen die Tat beweisen und zwar so, dass sie auch vor Gericht hält.

Mir war an diesem Beispiel vor allem wichtig, zu zeigen, dass Arbeitgeber immer noch nicht durchgehend aufgeklärt sind über ihre Rechte und Pflichten im Arbeitsrecht. Wenn dieses Wissen vorhanden wäre, würde man sich vielleicht schon bei der Rekrutierung ganz anders verhalten. Wer weiß, dass er einen Arbeitnehmer nach Ablauf der ersten 6 Monate nur noch bei nachweisbarem Vorliegen eines im KSchG definierten Kündigungsgrundes wieder loswird, der ist auch vorsichtiger und genauer bei der Einstellung. Aber auch bei der Personalführung und schließlich bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen macht sich arbeitsrechtliches Wissen bezahlt: Spätestens ab 10,5 Mitarbeiter/innen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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