26 Mrz
2015

Arbeitgeber darf vor fristloser Kündigung Sachverhalt in Ruhe ermitteln

Es gibt bei der außerordentlichen Kündigung (in der Regel als “fristlose Kündigung” bezeichnet) in § 626 Abs. 2 BGB eine Frist von 2 Wochen. D.h. der Arbeitgeber muss innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes die außerordentliche Kündigung dem Arbeitnehmer zugestellt haben. Versäumt er die Frist, ist die außerordentliche Kündigung nicht mehr möglich. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitgeber nun hetzen muss. Oft ist es nämlich nicht so ganz klar, wie genau der Sachverhalt liegt und ob es überhaupt einen Pflichtverstoß gab. Der Arbeitgeber muss dazu ermitteln. Das kann Wochen dauern. Das LAG Baden-Württemberg hat in einem Beschluss vom 28.1.2015 (13 Ta BV 6/14) klargestelltm, dass die 2-Wochen-Frist erst dann zu laufen beginnt, wenn der Sachverhalt ermittelt ist und der Arbeitgeber somit umfassende Kenntnis von dem für ihn maßgeblichen Kündigungsgrund hat.

In dem vom LAG zu entscheidenden Fall hatte der Betriebsratsvorsitzende einer Bank, der zu 80 % freigestellt und zu 20 % noch tatsächlich tätig war, die Bank um Provisionen betrogen. Er war Wertpapierberater. Es gab beim Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung von Provisionen. Mitarbeiter der Bank meldeten sich unter ihrer Beraterkennung an. So werden dann Orderaufträge von Kunden dem jeweiligen Berater zugeordnet. Der Betriebsratsvorsitzende, der nur an Donnerstagen arbeitete, hatte nachträglich in 47 Fällen seine Beraternummer eingetragen, obwohl er den jeweiligen Auftrag gar nicht bearbeitet und somit die Provisionen auch nicht verdient hatte. In Summe ging es um rund 2000 Euro. Es war jedoch recht kompliziert, zweifelsfrei zu ermitteln, dass hier Ungereimtheiten vorlagen und wer diese zu verantworten hat. Der kündigungsberechtigte Vorstand des Arbeitgebers hatte am 17.1.2014 von Ungereimtheiten erfahren und am darauffolgenden Montag die Innenrevision mit der genauern Prüfung beauftragt. Es lagen zu dem Zeitpunkt 15 Verdachtsfälle von Provisionebetraug vor. Der Arbeitgeber war aber noch nicht von der Kündigungsmöglichkeit überzeugt und wollte mehr Gewissheit. Die hatte er dann am 5.2.2014 und hörte am 7.2.2014 den Betriebsrat zur außerordnetlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden an. Der Betriebsrat muss in diesem Fall – Kündigung eines Betriebsratsmitglieds – die Zustimmung erteilen. Das tat er nicht. Der Arbeitgeber ging vors Arbeitsgericht, um die Zustimmung ersetzen zu lassen. Das Arbeitsgericht war der Ansicht, dass er schon beim Anfangsverdacht hätte kündigen müssen. Dies wies das LAG zurück: Der Arbeitgeber muss nicht in hektische Eile verfallen. Er kann, zügig zwar, aber doch im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens den Sachverhalt vollständig aufklären. Aus Sicht des LAG hat der Arbeitgeber diese Prüfung auch zügig genug durchgezogen, so dass der Zustimmungsantrag beim Betriebsrat am 7.2.2014 rechtzeitig in der Frist des § 626 Abs. 2 BGB einging.

Es darf gekündigt werden, denn aus Sicht des LAG liegt hier auch ein Grund für die Fristlose vor.

FAZIT: Für Arbeitgeber heißt das, immer mit der Ruhe. Man muss sich zwar sputen aber man darf einen Sachverhalt ausermitteln, bevor man seine Entscheidung zur Kündigung trifft. Da solche Fälle auch mit einer entsprechenden Beweissicherung einher gehen, sollte dieser Prozess unbedingt von einem Anwalt begleitet werden.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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