Das Bundesarbeitsgericht hat am 19.12.2013 (6 AZR 190/12 – PM 78/13, Vorinstanz LAG Berlin-Brandenburg: 6 Sa 2159/11) über eine Probezeitkündigung entschieden:
Ein 26-jähriger Arbeitnehmer war Anfang Dezember 2010 als Chemisch-Technischer Assistent (CTA) in den Dienst eines Arzneimittelherstellers (Medikamente zur Krebsbehandlung für intravenöse Verabreichung) getreten. Es war eine Probezeit von 6 Monaten mit der gesetzlichen Kündigungfrist von 2 Wochen vereinbart. Der Arbeitnehmer sollte in der Qualitätskontrolle der Produktion und dort im Reinraum beschäftigt werden. Nach der für diese Stelle geltenden gesetzlichen Vorschrift müssen vom Arbeitgeber, soweit praktisch möglich, Vorkehrungen getroffen werden, die sicher stellen, dass niemand beschäftigt wird, der an ansteckenden Krankheiten leidet. Zur Umsetzung dieser gesetzlichen Vorschrift hatte der Arbeitgeber intern die Regel aufgestellt, dass eine HIV-Infektion ein Ausschlusskriterium für die Tätigkeit im Reinraum bedeute.
Der klagende Arbeitnehmer wurde vom Betriebsarzt untersucht und gab dort an, dass er HIV-positiv sei. Die Infektion sei jedoch symptomlos. Der Betriebsarzt äußerte daraufhin Bedenken gegen die Arbeit im Reinraum. Kurz darauf kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, verwies auf die interne und gesetzliche Vorschrift und darauf, dass er keinen anderen Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer habe.
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und machte gelten, dass er zwar noch nicht den Schutz des KSchG genieße, weil er sich noch innerhalb der 6-monatigen Wartezeit befinde. Die Kündigung verstoße aber gegen Treu und Glauben. Des Weiteren sei sie unwirksam, weil sie diskriminierend sei. Er sei als HIV-Infizierter behindert im Sinne des AGG und daher sei die Kündigung als diskriminierende Maßnahme des Arbeitgebers unwirksam.
Vor dem LAG hatte der Arbeitnehmer noch den Kürzeren gezogen. Seine Revision beim Bundesarbeitsgericht war jedoch erfolgreich. Das BAG folgte der Argumentation des Klägers hinsichtlich seiner Behinderung. Behindert im Sinne des AGG sind Menschen auch dann schon, wenn „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“ (§ 2 Abs. 1 SGB IX)
Das BAG erkannte an, dass Menschen auch mit einer symptomlosen HIV-Infektion an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch soziale Stigamtisierung etc. eingeschränkt und somit behindert sind. Die Kündigung stelle daher eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG dar, denn ohne die HIV-Infektion wäre dem Mann nicht gekündigt worden. Das BAG konnte aber nicht endgültig entscheiden, weil noch nicht alle Tatsachen ermittelt waren, die für die Entscheidung benötigt werden und da das BAG keine Tatsacheninstanz ist und somit auch keine Sachverhaltsaufklärung betreibt, hat es den Streit daher an das LAG zurück verwiesen. Das LAG muss nun aufklären, ob der Arbeitgeber durch entsprechende Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers im Reinraum hätte ermöglichen könne. Wenn dem Arbeitgeber dies nicht möglich war, dann ist auch die Kündigung wirksam. Wenn solche Vorkehrungen jedoch getroffen werden könnten, dann ist sie unwirksam.