11 Dez
2014

Anspruch auf Gewinnbeteiligung erst nach 25 Jahren und in 10 Jahresraten?

Der Fall, den das LAG Stuttgart 26.9.2014 (17 SA 30/14) zu entscheiden hatte, ist kurios. Es ging im Kern um die Frage, ob die Frist für die Auszahlung einer als „Gratifikation“ bezeichneten Gewinnbeteiligung zu lang und damit unwirksam ist. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer  gegen die Firma W, die Heilmittel aus der Natur herstellt.

Der Arbeitnehmer hatte bei der W. 15 Jahre lang im Lager gearbeitet und 2.700 Euro brutto verdient. Die Firma W. hatte allen Mitarbeitern die Zusammensetzung des Gehalts in einer Broschüre erläutert, die auch der Kläger ausgehändigt bekommen hat. Danach sollen die Mitarbeiter am Unternehmensergebnis beteiligt werden. Die Regelung war sehr umfangreich. Der hier interessierende Teil ist folgender:

Ein Teil der Gewinnbeteiligung, die jedem Mitarbeiter zustehe, fließe direkt an den Mitarbeiter. Ein anderer Teil fließe als Mitarbeiterdarlehen an das Unternehmen zurück. Dieser Teil, der an das Unternehmen zurück fließt, sollte nach der Vorstellung der W. GmbH frühestens nach 25 Jahren oder mit Bezug einer Rente an den Mitarbeiter ausgezahlt werden. Wie lange der Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt war, spielte keine Rolle. Die Auszahlung sollte aber in 10 gleichen Jahresraten erfolgen, so dass der Mitarbeiter dann nach 10 Jahren seinen volle Gewinnbeteiligung hatte – eigentlich nach 35 Jahren, wenn man die 25 Jahre Wartezeit einrechnet.

Der Knackpunkt für das LAG Stuttgart war, dass die W. GmbH keine Insolvenzsicherung und keine Verpflichtung zu einer angemessenen Verzinsung der Gewinnbeteiligung vorgesehen hatte.

Ausgangspunkt ist § 808 Nr. 1 BGB, denn es handelt sich bei der Regelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. In § 308 Nr. 1 BGB heißt es:

„In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

  • 1.(Annahme- und Leistungsfrist)
    eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 zu leisten;“

Es sei zwar grundsätzlich in Ordnung, Vermögensbildung vorzunehmen. Jedoch ist eine Auszahlungsfrist von 25 Jahren und eine Ratenzahlung über 10 Jahre dann unangemessen lang, wenn der Arbeitgeber das Geld des Arbeitnehmers, das dieser ja schon verdient hatte, nicht anständig verzinst und auch keine Sicherung gegen die Insolvenz des Unternehmens vornimmt. Der Arbeitgeber nutzte hier die Mitarbeiter als sehr günstige Bank aus und das geht nicht.

Das LAG hat den Arbeitgeber daher zur Zahlung der rund 65.000 Euro Gewinnbeteiligung an den Kläger verurteilt.

Die Revision ist zugelassen, weil das BAG noch keinen Fall zu § 308 Nr. 1 BGB entschieden hat und es bleibt anzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht den Fall sieht.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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