10 Dez
2012

Anschwärzen des Arbeitgebers bei Behörden – Wie weit geht die Loyalitätspflicht?

Diese Frage hatte das Landesarbeitsgericht Köln am 5.7.2012 (6 Sa 71/12) zu entscheiden.

Ein Ehepaar mit 2 Kindern im Alter von 2 Jahren und 10 Monaten hatte am 11.5.11 eine Hauswirtschafterin angestellt. Die Eltern waren offensichtlich beide berufstätig. Die Chemie stimmte wohl nicht, denn das Ehepaar kündigte ordentlich Ende Juni zum 31.7.11. Die Hauswirtschafterin informierte nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung das Jugendamt und gab dort an, die Eltern seien überfordert und die Kinder verwahrlost. Was sie dazu bewog, diese Ansicht zu entwickeln, wird leider aus dem Sachverhalt nicht deutlich, da das Landesarbeitsgericht auf eine ausführliche Schilderung des Sachverhalts verzichtet hat und stattdessen auf das Urteil der Vorinstanz (ArbG Aachen 5 Ca 2681/11 d) verwiesen hat. Fakt ist jedoch, dass sie, ohne vorher mit den Eltern über ihre Beobachtungen und Sorgen zu sprechen, das Jugendamt informierte. Die Eltern kündigten der Hauswirtschafterin daraufhin nochmals fristlos am 18.7.11

Durch Attest vom Kinderarzt vom 19.7.11 wurde bescheinigt, dass die Kinder nicht verwahrlost seien. Die klagende Hauswirtschafterin vertrat die Ansicht, das Jugendamt sei nicht die Staatsanwaltschaft. es prüfe lediglich, ob eine Misshandlung vorliege und schalte dann erst die Staatsanwaltschaft ein. Die Information des Jugendamtes sei bei überlasteten Eltern sogar sinnvoll. Die Klägerin verlor beim Arbeitsgericht und auch beim Landesarbeitsgericht. Es berief sich auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (21.7.2011, 28274/08). Es entspricht zwar der Ausübung von grundrechtlich geschützten Freiheitsrechten, wenn man bei groben Misständen eine Strafanzeige erstattet oder zur zuständigen Behörde geht. Es ist jedoch erforderlich, dass man zunächst eine interne Klärung herbeizuführen versucht und auch genau prüft, ob die Vorwürfe auch der Wahrheit entsprechen.

Dies gebietet die Loyalitätspflicht. Eine Information der Öffentlichkeit bzw. der Behörden ist nur das letzte Mittel, wenn gar nichts anderes mehr geht und alle diskreteren Mittel ausgeschöpft sind. Der Arbeitnehmer muss zudem vorher den Schaden für den Arbeitgeber ebenfalls abwägen.

Die Klägerin hatte hier vorschnell gehandelt, denn sie hätte mit den Eltern reden müssen. Das Landesarbeitsgericht ging davon aus, dass nicht heere Motive der Grund für die Anzeige waren, sondern eine Retourkutsche für die vorher erfolgte Kündigung durch das Elternpaar. Damit habe die Klägerin das Vertrauen ihrer Arbeitgeber derart missbraucht, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mal bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war.

FAZIT: Es ist wichtig, kritisch zu sein und genau hinzuschauen. Wenn man jedoch glaubt, einen Misstand aufgedeckt zu haben, sollte man genau prüfen, was sich davon beweisen lässt, dann eine interne Klärung versuchen und auch dokumentieren und erst dann, wenn gar nichts mehr geht, die Behörden einschalten.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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