27 Aug
2014

Altersdiskriminierung „Berufsanfänger“

Manche Anwälte haben Spaß daran, ihre Kollegen zu ärgern: LAG Hamm am 25.7.2014 (10 Sa 503/14) Ein 60-jähriger Einzelanwalt, der hauptsächlich Patienten im Medizin- und Arzthaftzungsrecht vertritt, hatte sich auf einen Stellenanzeige einer großen Kanzlei beworben. Diese Kanzlei suchte einen „Berufsanfänger/in oder einen Kollegen/ eine Kollegin mit kürzerer Berufserfahrung im Medizin-und Arzthaftungsrecht. Die gesuchter Person sollte überdurchschnittliche Examina haben. Die Kanzlei, die die Stelle ausgeschrieben hatte, vertrat in der Regel Haftpflichtversicherungen.

Der Kollegen bewarb sich und wurde abgelehnt. Nun erhob er Klage wegen Altersdiskriminierung, wie er das schon des Öfteren gemacht hatte. Er hatte sich in der Vergangenheit immer wieder auf Stellen beworben, die für „Berufsanfänger/innen“ ausgeschrieben waren und hatte dann nach der Ablehnung geklagt.

Er verlor in diesem Verfahren vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht. Die Revision zum BAG ist allerdings zugelassen.

Das LAG hatte zwar eine mittelbare Diskriminierung festgestellt, denn der klagende Rechtsanwalt war 60 Jahre alt und durchaus berufserfahren. Gesucht waren aber Berufsanfänger/innen. Das seien aber in der Regel Menschen jüngeren Lebensalters. Ob man dem folgen muss sei dahin gestellt, man könnte ja auch argumentieren, dass es Menschen gibt, die eine Berufsausbildung in einem höheren Lebensalter beginnen. Das ist aber eben nicht die Regel. Eine Diskriminierung lag vor.

Die beklagte Kanzlei konnte jedoch zur Überzeugung des Gerichts vortragen, dass man den Kollegen nicht eingestellt hat, weil er zum einen die erforderlichen überdurchschnittlichen Examina nicht hatte. „Überdurchschnittlich“ bedeutet bei Juristen, dass Examina mit mindestens der Note „vollbefriedigend“ vorliegen. Der Kläger hatte jedoch in beiden Staatsexamen die Note „befriedigend“. Überdies habe er bisher nur Patienten und keine Versicherungen vertreten. Aus meiner Sicht „zieht“ das erste Argument. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht waren jedenfalls davon überzeugt, dass die Ablehnung nicht deswegen erfolgte, weil der Kläger schon 60 Jahre alt war, sondern weil er schlichtweg die Voraussetzungen für den ausgeschriebenen Job nicht erfüllte. Das Gericht nahm der beklagten Kanzlei dann auch ab, dass das Alter bei der Entscheidung über die Ablehnung überhaupt keine Rolle gespielt hatte. Ob der Kläger rechtsmissbräuchlich handelte, wurde wohl besprochen, spielte aber die Entscheidung keine tragende Rolle.

 

FAZIT: Das war ganz schön knapp für die Kollegen und ist auch noch nicht ausgestanden. Die Stellenanzeige war wirklich grenzwertig. Arbeitgeber, die so ausschreiben, müssen vor der Ausschreibung eine plausible und vor allem schriftlich dokumentierte Argumentation in der Schublade haben, warum sie einen jungen Menschen suchen und nicht alle Altersklassen. Die Argumentation mit der „Nicht-Eignung“ ist ein Tanz auf der Rasierklinge – es kann auch schief gehen, denn zum einen können sich Menschen bewerben, die die erforderlcihe Qualifikation haben – was dann? Im Übrigen ist der Kollege nicht derart „nicht geeignet“ gewesen, dass er für die Stelle übnerhaupt nicht. Er hatte immerhin viele Jahre in dem Metier auf dem Buckel und konnte seine Examensnoten längst durch Erfahrung wett machen. Mal sehen, wie das BAG entscheidet. Arbeitgebern ist zu raten, Stellenanzeigen wirklich absolut diskriminierungsfrei auszuschreiben, um sich nicht unnötig angreifbar zu machen.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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