29 Nov
2012

Alkoholiker wird rückfällig – krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt?

Alkoholsucht (physische und psychische Abhängigkeit) ist eine Krankheit. Eine Kündigung ist daher nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen für die krankheitsbedingte (personenbedingte) Kündigung vorliegen. Diese sind:

1. Negative Zukunftsprognose

2. erhebliche betriebliche Beeinträchtigung durch die Krankheit

3. Interessenabwägung fällt zuungunsten des Arbeitnehmers aus

Wäre der Arbeitnehmer gar nicht therapiebereit bzw. verheimlichte er seine Sucht und wäre nicht krankheitseinsichtig, kann man von einer negativen Prognose des Krankheitsverlaufs ausgehen.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte in einem Urteil vom 5.9.2012 (Az.: 15 Sa 911/12) folgenden Fall zu bewerten (Vorinstanz ArbG Berlin, 27.4.2012 Az.: 18 Ca 15715/11):

Der klagende Arbeitnehmer war Elektriker. Die Alkoholkrankheit bestand unstreitig und der Kläger hatte auch schon eine Therapie gemacht und war 2011 zumindest zweimal rückfällig geworden, einmal davon während einer ambulanten Therapie. Der Arbeitgeber sah diesen wiederholten Rückfall als ausreichendes Indiz für eine negative Prognose des Krankheitsverlaufs an. Hinzu komme, dass der Arbeitnehmer als Elektriker ständig mit 220 Volt-Stromanlagen zu tun hätte. Wenn er also auch während der Arbeit trinken würde, gefährde er sich und andere und das stelle eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung dar. Das Arbeitsgericht als Vorinstanz und auch das Landesarbeitsgericht haben jedoch zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden.

Ein einmaliger Rückfall während einer ambulanten Therapie, so das LAG, rechtfertige nicht den Schluss auf eine negative Prognose. Es gebe keine gesicherte Erkenntnis, dass ein einmaliger Alkoholkonsum jegliche Chancen auf dauerhafte Abstinenz zerschlagen. Das Arbeitsgericht hatte darüber hinaus ins Feld geführt, dass es sich um eine lediglich ambulante Therapie gehandelt habe. Der Kläger sei also täglich in sein normales Umfeld zurückgekehrt und habe sich dort den Verlockungen des Alkoholkonsums ausgesetzt gesehen. Es ging wohl davon aus, dass noch nicht Hopfen und Malz verloren war, weil man ja die stationäre Therapie noch nicht ausprobiert hatte und der Kläger wohl auch dazu bereit war.

Gegen den Arbeitgeber sprach auch, dass er keinen Fall von Alkohol am Arbeitsplatz vorgetragen hat. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist daher nur theoretischer Natur gewesen, zumal es sich nur um einen einmaligen Rückfall des therapiewilligen Klägers handelte.

Somit scheiterte das Kündigungsschutzverfahren für den Arbeitgeber.

Fazit: Alkoholsucht ist ein Problem für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es sind die Maßstäbe der krankheitsbedingten Kündigung anzusetzen. Die Nerven beider Seiten werden arg strapaziert. Vor einer Kündigung muss immer geprüft werden, ob der Arbeitnehmer zu einer Therapie bereit ist und diese auch die richtige ist für ihn und seine spezielle Situation ist.

 

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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