4 Jan
2011

„Aber ich bin doch schwerbehindert!“ – „Na und?“

Der provokante Titel soll auf ein grundlegendes Problem hinweisen, das es bei besonderen Schutzrechten, also nicht nur bei Schwerbehinderten, häufig  gibt. Da ich in meiner anwaltlichen Praxis immer wieder mit Menschen zu tun habe, die den Status eines Schwerbehinderten haben bzw. deren Arbeitgeber vertrete, kenne ich die „beliebten“ Trugschlüsse nur zu gut und muss oft desillusionieren.

Die Kündigung von Schwerbehinderten

Viele Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis halten sich aufgrund dieses Ausweises im Arbeitsleben für unantastbar. Sie glauben, wenn ihnen der Arbeitgeber nur irgendwie ungerecht daher kommt, ihnen eine Kündigung ausspricht regnet es dicke Abfindungen oder Schadensersatzansprüche. Sie glauben auch, man könne ihnen nicht bzw. nicht so leicht kündigen, denn ihnen wird ja gesagt, dass sie besondere Kündigungsschutzrechte gemäß SGB IX haben. So steht es auch im Gesetz. Nur muss man sich nun anschauen, was ein Mensch mit Schwerbehindertenausweis mit diesem Kündigungsschutz anfangen kann.

Die Kündigung Schwerbehinderter und das Integrationsamt

Weit her ist es nämlich tatsächlich nicht mit dem Schutz. Zum einen kann man auch einem Schwerbehinderten kündigen. Es ist ein bisschen bürokratischer und damit komplizierter aber es ist möglich. Voraussetzung ist die Zustimmung des Integrationsamtes, welches vor einer Kündigung angehört werden muss. Wenn die Kündigung eines Arbeitnehmers mit einer Schwerbehinderung jedoch begründet ist, muss eine Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes erfolgen. Das zusätzliche Verfahren ist also nicht mehr – aber auch nicht weniger – als Sand im Getriebe. Das kann dazu führen, dass der Arbeitgeber bereit ist, eine Abfindung zu zahlen, weil man sich den Wochen langen Verfahrensweg sparen will. Ist sich der Arbeitgeber aber sicher, dass seine Kündigung wirksam ist und stimmt das Integrationsamt zu, dann kann gekündigt werden. Der Arbeitnehmer kann sich dagegen natürlich mit der Klage vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung und mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Zustimmung wehren. Auch das kostet Zeit und Geld und könnte den Arbeitgeber zu einer Abfindung bewegen. Es gilt jedoch nicht grundsätzlich, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen zu einer Abfindung führen muss. Mit anderen Worten: Schwerbehinderte haben keinen wirklichen besonderen oder besseren Kündigungsschutz: Sie haben aufgrund ihres Status nur eine „Instanz“ mehr als nicht behinderte Arbeitnehmer. Dies kann in der Verhandlung um eine Abfindung ein Argument sein.

Auf eine Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer folgt nicht immer eine Abfindung!

Es steht auch nirgendwo geschrieben, dass Arbeitgeber und Kollegen in einem Betrieb zu dem schwerbehinderten Menschen eine besondere Sympathie entwickeln muss oder ihn/sie besonders nett behandeln muss. Man muss schwerbehinderte Menschen genau so behandeln, wie alle anderen Arbeitnehmer auch. Und da kann es schon mal sein, dass die Chemie nicht stimmt. Wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch. Solange nicht der Status der Behinderung der Grund für die Verstimmtheit auf Seiten des Arbeitgebers ist, hat der Schwerbehinderte nichts gewonnen. Es gibt also keine Regel, die besagt, dass ein schwerbehinderter Mensch, der Stress mit seinem Chef hat und deswegen frustriert ist, dicke Abfindungen bekommen muss, weil er ja schwerbehindert ist.

Zu merken ist folgendes: Menschen mit einer Schwerbehinderung sind ebenso angreifbar, wie alle anderen Arbeitnehmer auch. Der Schutz besteht darin, dass es für Arbeitgeber etwas mühseliger ist, ihnen zu kündigen. Das erhöht die Bereitschaft des Arbeitgebers, eine Abfindung zu bezahlen.

Die Kündigung eines Schwerbehinderten ist selten die beste Lösung

Doch die Kündigung ist für den Arbeitgeber immer nur das letzte Mittel. Viele Arbeitgeber wissen gar nicht, dass es einen tatsächlichen Schutz in Form von Integrationshilfen durch das Integrationsamt gibt. In vielen Fällen besteht die Möglichkeit, finanzielle Leistungen zu bekommen oder Sachmittel, die die Arbeit des schwerbehinderten Menschen ermöglichen können. Wenn also das Kind noch nicht im Brunnen liegt, dann kann das Integrationsamt gemeinsam mit dem Anwalt und dem Arbeitgeber helfen, ein Arbeitsverhältnis in Schieflage wieder ins Lot zu bringen. Und das wäre dann eine wirklich gute Lösung für beide Seiten, denn oft handelt es sich um gute Fachkräfte, die hohe Fehlzeiten haben, weil sie, bedingt durch die Behinderung, bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausüben können oder bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen können. Der Arbeitgeber wird durch die Integrationshilfen entlastet. Dies nimmt ihm den Druck und verbessert die Stimmung, weil der schwerbehinderte Mensch dann nicht mehr als „Kostenfaktor“ gesehen wird sondern seine Fähigkeiten bei der Suche nach Tätigkeitsbereichen wieder mehr in den Fokus genommen werden können. Eine teure Suche nach Personal und die damit verbundenen langwierigen Entscheidungen kann sich der Arbeitgeber dann sparen. Für weitere Informationen zu diesem Thema, nehmen Sie einfach Kontakt mit mir auf. Sie, als Arbeitgeber, können eine individuelle Beratung von mir erwarten. Ich werde Sie unterstützen und mit Ihnen zusammen die beste Lösung für Ihren individuellen Fall finden.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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