Das Urteil des LAG Hessen ist schon etwas älter (22.3.2010, Az.: 17 Sa 1303/09 – rechtskräftig) und dennoch interessant.
Nach Abschluss von Aufhebungsverträgen kann es dazu kommen, dass Arbeitnehmer ihre Entscheidung bereuen und deshalb rückgängig machen möchten. Es bleibt nur die Anfechtung. Neben einer Anfechtung wegen Irrtums gemäß § 119 BGB gibt es noch die Anfechtung wegen Täuschung und Drohung gemäß § 123 BGB.
Hier soll es um die Anfechtung wegen Drohung gemäß § 123 Abs.1 BGB gehen, in dem es heißt:
„Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.“
In dem vom LAG Hessen entschiedenen Fall ging es um die Kassiererin eines Supermarktes. Eine Testkäuferin (= spätere Zeugin des Arbeitgebers) hatte bei ihr Zigaretten im Wert von 8 Euro gekauft. Die 8 Euro sind nicht in die Kasse gelegt worden. Der Arbeitgeber konfrontierte die Kassiererin daher mit dem Vorwurf der Unterschlagung von 8 Euro. Sie stritt dies erst ab, räumte es im Laufe des Gesprächs aber ein. Daraufhin legte der Arbeitgeber der Kassiererin einen Aufhebungsvertrag vor und sagte ihr, wenn sie den nicht unterschreibe, würde er ihr fristlos kündigen. Sie unterschrieb und focht anschließend den Vertrag wegen widerrechtlicher Drohung an.
Das Problem bei der Anfechtung ist, dass der Arbeitnehmer das Vorliegen des Anfechtungsgrundes darlegen und beweisen muss.
Die Kassiererin unterlag beim LAG Hessen. Der Arbeitgeber hatte ihr zwar gedroht, denn er hatte ein zukünftiges Übel (fristlose Kündigung) für den Fall der Verweigerung der Unterschrift in Aussicht gestellt. Aber die Drohung war nicht widerrechtlich.
Es muss sich für den Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB aber um eine widerrechtliche Drohung gehandelt haben. Das heißt, die Drohung mit der fristlosen Kündigung ist nur dann widerrechtlich, „wenn ein verständiger Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte“, so das LAG Hessen. Es ist nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung in einem Kündigungsschutzprozess Bestand gehabt hätte.
Unabhängig davon, ob eine entsprechende fristlose Kündigung vor Gericht „gehalten“ hätte, war das LAG Hessen der Ansicht, dass ein verständiger Arbeitgeber bei dem vorliegenden Sachverhalt davon ausgehen konnte, dass eine Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre.
Daran sieht man, dass bei weitem nicht jede Drucksituation, in der sogar massiv gedroht wird, auch eine spätere Anfechtung rechtfertigt. Die Anfechtung von einmal geschlossenen Verträgen ist schwierig.
Der Arbeitgeber muss nur vortragen, weshalb er einen Kündigungsgrund annehmen durfte. Der Arbeitnehmer muss dies widerlegen und das gelingt nur sehr schwer. Insbesondere deswegen, weil der Arbeitnehmer bei derartigen Gesprächen oft allein ist, der Arbeitgeber sich aber von seinem Personal vertreten lässt. Der Arbeitgeber hat dann einen Zeugen aus seinem Lager. Der Arbeitnehmer hat keinen Zeugen ….