Betriebliche Übung / umgekehrte betriebliche Übung
Definition – betriebliche Übung
Von betrieblicher Übung spricht man, wenn der Arbeitgeber mehrmals hintereinander in gleicher Weise dem Arbeitnehmer etwas zukommen lässt und beim Arbeitnehmer der Eindruck entsteht, er bekomme diese Leistung jetzt immer.
Es handelt sich also um etwas Unausgesprochenes. Die Betriebliche Übung verschafft dem Arbeitnehmer einen Anspruch. Das Bundesarbeitsgericht sieht in der Handlung des Arbeitgebers eine konkludente Willenserklärung (schlüssiges Verhalten, das einen bestimmten Willen ausdrückt „Ich gebe Dir jetzt immer …“). Der Arbeitnehmer nimmt ebenfalls durch ein schlüssiges Verhalten an und nicht etwa durch ausdrückliche Erklärung.
Wenn der Arbeitgeber zum Beispiel jedes Jahr vor Weihnachten seinen Arbeitnehmern 500 Euro Weihnachtsgeld zahlt und der Arbeitnehmer das auch annimmt, dann ist eine betriebliche Übung entstanden. Die 500 Euro Weihnachtsgeld werden damit Bestandteil des Arbeitsvertrages.
Der Arbeitnehmer kann dann gegen den Arbeitgeber klagen, wenn er das Weihnachtsgeld nicht mehr zahlt.
Entstehung einer betrieblichen Übung
Der Arbeitgeber muss sich wiederholt gleichartig verhalten. Er muss sich dessen nicht bewusst sein. Es kommt darauf an, wie der Arbeitnehmer dieses Verhalten des Arbeitgebers deuten durfte. Dabei spielen Treu und Glauben und die Begleitumstände eine Rolle.
Entscheidend sind die Art, die Dauer und die Häufigkeit der Einzelfälle maßgeblich. Es ist nicht wichtig, dass eine Geldleistung immer dieselbe Höhe hat. Es genügt, wenn ein als „Weihnachtsgeld“ bezeichneter Betrag über mehrere Jahre hinweg zu einer bestimmten Zeit im Jahr an alle Belegschaftsmitglieder ausgezahlt wurde.
Eine betriebliche Übung kann nicht nur in Bezug auf Geldleistungen entstehen, sondern auch in Bezug auf Arbeitsbedingungen und –abläufe. Überall dort, wo der Arbeitgeber durch ein bestimmtes immer gleiches Verhalten den Eindruck erweckt, es werde immer so verfahren (auch in der Zukunft), entsteht eine betriebliche Übung.
Wie wird man die betriebliche Übung wieder los?
Schwierig. Bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts am 18.3.2009 (10 AZR 281/08) war es zulässig, eine umgekehrte betriebliche Übung zu erzeugen. Dem hat das Bundesarbeitsgericht nun einen Riegel vorgeschoben. In der zitierten Entscheidung hatte ein Arbeitgeber jahrelang ohne Kommentar Weihnachtsgeld gezahlt. Es war eine betriebliche Übung entstanden. Ab 2002 hat der Arbeitgeber die Zahlung mit dem Vermerk versehen, dass es sich bei der Zahlung um eine freiwillige Leistung handele, auf die kein Rechtsanpruch bestehe. Nach früherer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wäre es nun zu einer sogenannten umgekehrten betrieblichen Übung gekommen und der Arbeitnehmer hätte seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld verloren. Dass das so nicht geht, weil es den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, war in der juristischen Fachliteratur schon lange klar. Bzw. muss der Arbeitgeber, wenn er die betriebliche Übung wieder loswerden will entweder einen Änderungsvertrag schließen oder eine Änderungskündigung aussprechen.
Die Erzeugung einer umgekehrten betrieblichen Übung durch dreimaliges Zahlen unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit und unter dem Hinweis darauf, dass kein Rechtsanpruch auf die Zahlung besteht, ist nach der Rechtsprechung des BAG NICHT mehr möglich. Der Arbeitnehmer behält also seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld.
Wie verhindert man die Entstehung einer betrieblichen Übung?
Der Arbeitgeber kann aber auch schon von vornherein dafür sorgen, dass keine betriebliche Übung entsteht. Er kann zum Beispiel bei der Zahlung von Weihnachtsgeld dazu sagen (besser: Begleitschreiben), dass diese Zahlung nur für dieses Jahr gilt und keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll. Damit erklärt er ausdrücklich, dass er keinen sogenannten Bindungswillen hat.
Der Arbeitgeber kann auch im Arbeitsvertrag eine Klausel aufnehmen, nach der Leistungen, die zusätzlich zu den im Vertrag geregelten Leistungen gewährt werden, freiwillige Leistungen sind, auf die auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Dabei handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Es ist daher zu prüfen, ob die gewünschte Klausel wirksam ist. Zur Sicherheit sollte bei der Gewährung der Zusatzleistung ein Begleitschreiben beigefügt werden. Aus dem Schreiben muss sich ergeben, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt, bei der auch bei wiederholter Leistung kein Anspruch für die Zukunft besteht. Das hört sich „doppelt gemoppelt“ an, ist es aber nicht. Zum einen haben Sie als Arbeitgeber diese Klausel in ihrem Arbeitsvertrag und dann zusätzlich und zur Sicherheit wiederholen Sie es jedes Mal, wenn Sie die Leistung gewähren. Schriftlich. Nachweisbar.