19 Dez
2013

Geringes Schmerzensgeld wegen Videoüberwachung

Schmerzensgeldprozesse sind für Arbeitnehmer oft schmerzhaft bzw. ernüchternd. In einem vom LAG Rheinland-Pfalz (2 Sa 12/13) entschiedenen Fall hatte sich ein Arbeitnehmer gegen eine Videoüberwachung in einer Werkshalle (seinem Arbeitsplatz) ohne Publikumsverkehr gewehrt und 10.000 Euro Schmerzensgeld gefordert. Er bekam in beiden Instanzen lediglich 850 Euro zugesprochen. Der Fall ist vor allem deshalb interessant, weil oft Gesundheitsschäden infolge eines Verhaltens des Arbeitgebers von Arbeitnehmern behauptet und auch ärztlich attestiert werden. Das reicht aber noch lange nicht aus, um die Ursächlichkeit des Verhaltens des Arbeitgebers für den jeweiligen Gesundheitsschaden nachzuweisen.

Dem Grunde nach gaben beide Instanzen dem Arbeitnehmer zwar Recht: Sein Persönlichkeitsrecht war verletzt und es war ihm ein immaterieller Schaden entstanden. Einen weiteren gesundheitlichen Schaden hat er nicht nachgewiesen.

Der Kläger war als Weber bei dem Arbeitgeber bis Ende 2012 beschäftigt. Ein paar Monate vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses installierte der Arbeitgeber 4 Videokameras in der Werkhalle, in der auch der Kläger arbeitete. Die Maßnahme hatte nichts mit dem Kläger persönlich zu tun. Der Arbeitgeber behauptete später im Prozess, dass es einen Diebstahl einer Webmaschine gegeben habe und man deshalb die Kameras installiert habe. Das konnte er jedoch nicht beweisen – immerhin wiegt eine solche Maschine ein bis zwei Tonnen…

Aus diesem Grund hatten beide Gerichte, Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht, dem Arbeitnehmer DEM GRUNDE NACH auch Recht gegeben. Die Installation der Kameras erfolgte ohne konkreten Grund und war daher rechtswidrig.

Der Arbeitnehmer hatte vorgetragen, dass er sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt fühle. Außerdem habe ihn der Gedanke, dass er stets aufgezeichnet und beobachtet werden konnte, so krank gemacht, dass er davon Bauchweh, Unwohlsein und Durchfall bekommen habe. Er hat jedoch rein gar nichts dazu vorgetragen, dass die Installation und Inbetriebnahme der Kameras für seine Beschwerden ursächlich gewesen sind. Das hätte er aber tun müssen. Er blieb also den Beweis schuldig und bekam nur Schmerzensgeld für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Ich bezweifle im Übrigen, dass das Schmerzensgeld wesentlich höher gewesen wäre, wenn er das Bauchweh, den Durchfall und das Unwohlsein auch als ursächlich hätte nachweisen können. Deutschland ist in punkto Schmerzensgeld eben nicht Amerika. Das vergessen viele klagewillige Arbeitnehmer oft. Nur mal zum Vergleich: für eine schwere Unteramfraktur mit einem langwierigen Heilungsprozess bekommt man bis zu 12.500 Euro. Da waren die 10.000 Euro für Bauchweh, Durchfall und Unwohlsein wirklich extrem hoch angesetzt.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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