17 Apr
2014

Leitender Angestellter darf sagen: „Betriebsrat missbraucht sein Amt“ – Art. 5 GG

Es ist gar nicht so selten, dass bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Eindruck entsteht, Betriebsräte „missbrauchen“ ihr Amt dazu, um sich selbst Vorteile – nicht zuletzt den Kündigungsschutz – zu verschaffen. Das LAG Hessen (16 TaBV 50/13) hatte am 2.9.2013 einen Fall zu entscheiden, in dem es darum ging, ob Mitarbeiter eines Unternehmens sich an einer Unterschriftensammlung am Schwarzen Brett beteiligen dürfen, die die Kritik an der Arbeit des Betriebsrates zum Inhalt hat. Das LAG Hessen hatte die Beschwerde des Betriebsrates zurückgewiesen und den Aushang für rechtskonform (Meinungsfreiheit) erklärt.

Mitarbeiter eines Betriebes hatten einen Aushang mit folgendem Inhalt ans Schwarze Brett gehängt (Quelle: Tatbestand des Beschlusses des LAG Hessen 16 TaBV 50/13):

„…Wir, die Unterzeichnenden, beobachten seit einiger Zeit, zunächst interessiert, mittlerweile mit zunehmender Sorge die Aktivitäten unseres Betriebsrats bzw. der dort tätigen Personen hinsichtlich der Auswirkungen auf unseren Arbeitsalltag und damit unsere berufliche Zukunft. Um es klar und vorab zu sagen:

Die Betriebsratsarbeit bei H halten wir für schlecht und nicht zielführend, was natürlich nur unser subjektives Empfinden widerspiegelt.

…. Es fehlt an Vertrauen, Transparenz, Effizienz und vor allem dem Willen des Betriebsrates praktische Lösungen herbeiführen zu wollen. [Anm. der Autorin: hier wird näher ausgeführt, was mit Vertrauen, Transparenz, Effizienz und Lösungsorientierung gemeint ist.]

….

Das deutsche Arbeitsrecht sieht in § 23 vor, dass die Auflösung des Betriebsrates wegen grober Pflichtverletzungen von mehr als einem Viertel der wahlberechtigten Mitarbeiter des Betriebes beim Gericht beantragt werden kann. Im Anschluss daran wird dann im Rahmen von Neuwahlen ein neuer Betriebsrat gewählt oder auch der alte wieder gewählt. Durch die Angabe seines Namens und die Abgabe seiner Unterschrift in dieser Liste (siehe Aushang) kann sich jeder wahlberechtigten Mitarbeiter/in unserer Sichtweise anschließen.“

Dazu gab es eine Unterschriftenliste mit über 100 Unterschriften. Ein leitender Angestellter hat als Nummer 80 unterschrieben. Der Betriebsrat wehrte sich gegen „Nr. 80“. den leitenden Angestellten und wollte Unterlassung und Widerruf der Äußerungen erreichen. Das Arbeitsgericht gab dem teilweise statt. Beide Seiten legten Berufung ein und der leitende Angestellte gewann.

Das LAG Hessen war der Ansicht, dass zwar nach § 78 BetrVG gelte, dass Betriebsratsmitglieder in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden können. Es gäbe aber auch noch Art. 5 GG, die Meinungsfreiheit und so lange es sich nicht um Schmähkritik handele, dürfe man durchaus seine Meinung über die Arbeit des Betriebsrats äußern. Der Brief enthalte im Wesentlichen Werturteile und sei daher von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt.

Dies kann man zwar hinsichtlich der Frage des Amtsmissbrauchs (Vorwurf der persönlichen Bereicherung) anders sehen, denn es wurde in dem Brief nur von persönlicher Bereicherung gesprochen, ohne das durch Fakten zu untermauern. Ansonsten ist aber tatsächlich gegen einen solch sachlichen Brief nichts einzuwenden.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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