21 Feb
2013

Kündigungsschutz im Kleinbetrieb – Verstoß gegen Treu und Glauben

Wenn man das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.9.2012 (Az.: 4 Sa 569/12) liest, versteht man, warum Arbeitnehmer so erpicht darauf sind, „über die 10“ (Vollzeitarbeitnehmer) zu kommen (siehe Beitrag vom 18.2.2013). Im Kleinbetrieb gibt es nahezu keinen Kündigungsschutz. Zu den wenigen Argumenten gehört ein Verstoß gegen Treu und Glauben, der beispielsweise dann vorliegen kann, wenn der Arbeitgeber sich widersprüchlich verhält.

Der Fall spielt in einem Kleinbetrieb. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar. Dem Unternehmen ging es wirtschaftlich nicht gut. Der Kläger hatte ein Angebot zum Arbeitgeberwechsel. Dies teilte er seinem Arbeitgeber mit. Der Arbeitgeber bat ihn daraufhin inständig, zu bleiben, bot 500 Euro Gehaltserhöhung an und teilte dem Kläger mit, er sei der beste Arbeitnehmer, den er habe. 5 Monate später bekam der Mann die Kündigung. Dagegen wehrte er sich unter anderem. Er verlor in beiden Instanzen. Das LAG ist seiner Argumentation, der Arbeitgeber habe sich widersprüchlich verhalten und daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, nicht gefolgt. Das klingt zunächst unverständlich. Der Arbeitgeber hat sich doch widersprüchlich verhalten: Er hat ihn dazu bewogen, nicht beim neuen Arbeitgeber anzuheuern und stattdessen bei ihm zu bleiben und 500 Euro mehr im Monat zu verdienen.

Jedoch hat das LAG dem Kläger bewusst gemacht, dass es ziemlich schwierig ist, einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben mit Erfolg zu rügen. Es gibt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu einem ähnlichen Fall: Dort hatte ein Arbeitnehmer sich abwerben lassen und war noch in der Probezeit gekündigt worden. Er hatte keinen Kündigungsschutz, weil er noch keine 6 Monate beschäftigt war. Er berief sich auf widersprüchliches Verhalten, denn der Arbeitgeber hatte ihn ja von seinem bisherigen Arbeitgeber weggelockt. Das BAG verwies diesen Kläger darauf, dass er mit dem neuen Arbeitgeber ein Kündigungsverbot hätte vereinbaren können und dann auf der sicheren Seite gewesen wäre. Das LAG sah den vorliegenden Fall ähnlich. Der Arbeitgeber des Klägers habe den Kläger praktisch auch abgeworben, denn er hatte ihn dazu gebracht, nicht beim neuen Arbeitgeber anzuheuern. Der Kläger hätte, wissend, dass es dem Unternehmen nicht gut ging, mit dem Arbeitgeber einen Kündigungsschutz vereinbaren können. Stattdessen hat er die 500 Euro genommen und nichts weiter vereinbart.

FAZIT:

Die Trauben hängen hoch im Kleinbetrieb. Wenn man in einem Kleinbetrieb mit wirtschaftlicher Schieflage arbeitet und ein Angebot zum Wechsel bekommt, sollte man sich sehr gut überlegen, ob man bleibt. Wenn man bleibt, ist die Vereinbarung eines individuellen Kündigungsschutzes sinnvoll.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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