9 Mai
2013

Führungskräfte – Gibt es ein „zurück“, wenn die Luft raus ist?

Es gibt arbeitsrechtlich ein „schwieriges Alter“. Es handelt sich um Menschen zwischen Ende 40 und Ende 50. Diese Personen sind auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar. Das ist zwar betriebswirtschaftlich und auch volkswirtschaftlich großer Unsinn aber so ist nun mal leider die derzeitige Realität. Besonders schwierig aber haben es diejenigen, die die Karriereleiter bis zum fraglichen Zeitpunkt schon sehr weit nach oben geklettert sind. Sie sind mindestens Bereichsleiter, oft auch Geschäftsführer. Sie haben Verantwortung für Budgets in Millionenhöhe und führen nicht selten mehrere 100 Mitarbeiter. Sie haben in der Regel, wenn sie in Konzernen tätig sind, auch schon eine sehr lange Betriebszugehörigkeit, waren ggf. schon mehrer Jahre im Ausland um Tochterfirmen aufzubauen oder sind im Inland zu Tochterfirmen gewechselt; oder sie haben immer nach mehreren Jahren bei einem Arbeitgeber den Sprung nach oben zum nächsten gewagt. Irgendwann ist Schluss, denn man kann nicht mehr höher aufsteigen. Die Führungskraft wird in der Regel auch leitender Angestellter, also zur selbstständigen Einstellung und/oder Entlassung von Mitarbeitern befugt sein. Man hat Prokura oder Handlungsvollmacht und agiert im Unternehmen wie ein Unternehmer. Nur: Man ist keiner. Man ist und bleibt Angestellter. Ein guter, loyaler aber auch teurer und keinesfalls unverzichtbarer.

Das ist die erste Erkenntnis: Man ist nie, niemals unverzichtbar. Dies sollte man sich keinesfalls einreden (lassen). Was passiert nun, wenn die Führungskraft selbst merkt, dass die Arbeit nicht mehr so gut von der Hand geht wie früher oder merkt, dass gegen sie intrigiert wird oder beim Management in Ungnade fällt oder eine Umstrukturierung droht und man die „teuren Alten“ wegrationalisieren will, nach dem Motto: „Wenn wir schon sparen sollen, dann behalten wir lieber 4 verhältnismäßig preiswerte Ingenieure als eine überteuerte Führungskraft.“ Wie auch immer, der Stuhl wackelt und die Führungskraft droht, zu fallen oder will selbst einen Gang zurück schalten. Arbeitsrechtlich ist nun zu beachten, dass man einem leitenden Angestellten leichter kündigen kann als einem „normalen Arbeitnehmer“. Es ist sogar bei unwirksamer Kündigung möglich, bei Gericht einen Auflösungsantrag zu stellen und eine Abfindung anzubieten. das soll hier nicht weiter vertieft werden.

Fakt ist: Je weiter oben, umso wackliger der Stuhl. Immer. Auch bei langer Betriebszugehörigkeit. Auch, wenn man sich gestern noch so nett mit dem Vorstand am Kamin unterhalten hat.

Und nun zur Frage in der Überschrift: Ist es für eine solche Führungskraft, die entweder nicht mehr kann oder nicht mehr will oder nicht mehr darf, möglich, eine oder gar mehrere Stufen weiter unten einzusteigen? Arbeitsrechtlich steht dem nichts im Wege. Wenn es eine freie Stelle „weiter unten in der Hierarchie“ im Unternehmen gibt und man sich darüber einigen kann, dann ist das möglich. Wenn es eine freie Stelle gibt und man einigt sich nicht sondern es kommt die Kündigung, dann besteht die Möglichkeit für die Führungskraft´, auf den Vorrang der Änderungskündigung hinzuweisen aber dann kommt der Auflösungsantrag und man ist den Job auch los.

Die zweite Erkenntnis ist: Es gibt intern kein Zurück. Das hat keine arbeitsrechtlichen oder gar betriebswirtschaftlichen Gründe. Das ist reine Psychologie, denn nur so kann ein nach außen hin unsinniges Verhalten erklärt werden. Sachlich betrachtet ist die Führungskraft sicherlich gut geeignet für die Position “ eins drunter“, denn schließlich ist sie an dieser Position auf dem Weg nach oben vorbeigekommen und hat dort ein paar Jahre gute Arbeit gemacht (also nicht auf derselben Position aber auf einer vergleichbaren). ABER man hat so viel Kino im Kopf bei der Vorstellung, dass ein ehemals „hohes Tier“ sich nun ins Glied einreihen soll. Was wird der nicht für Schwierigkeiten machen – herrje! Usw. Welche Möglichkeiten hat man also, wenn man weiß, es geht nicht mehr in diesem Unternehmen – warum auch immer?

Erstens sollte man sich schnell anwaltlichen Rat und einen sehr, sehr guten Karriereberater suchen. Beide sollten gemeinsam mit der Führungskraft eine Strategie des Ausstiegs beim alten Arbeitgeber entwickeln. Da spielen Zeit (in dem Alter braucht man mindestens 9 Monate, um etwas Neues zu finden), Geld (zur Überbrückung) und ein Zeugnis, das den Weg ggf. auch nach unten ebnet (große Herausforderung) eine Rolle. Dann ist mit dem Karriereberater zu überlegen, wie auch ein Einstieg „eins drunter“ möglich sein kann.

Es ist möglich, will aber gut überlegt sein, kostet Geld und braucht Zeit. Von den Fragen der Persönlichkeitsentwicklung habe ich dabei noch gar nicht gesprochen aber auch die wird es geben – vorsichtig ausgedrückt. Wenn man damit fertig werden will, wird es die auch geben müssen – ein Coach in dieser Frage (persönliche Krise) ist daher auch nicht die schlechteste Idee…

 

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Blog Karriereberatung

Sandra Flämig hat 4,99 von 5 Sternen 171 Bewertungen auf ProvenExpert.com