3 Apr
2014

Aufhebungsvertrag – Verzicht auf Abfindungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung möglich?

Kann ein Arbeitnehmer auf eine Abfindung auf der Basis einer Betriebsvereinbarung (BV) verzichten und wenn ja, unter welchen Umständen? Diese Frage musste das Bundesarbeitsgericht am 13.10.2013 (1 AZR 405/12) entscheiden. Nach § 77 IV BetrVG kann ein Arbeitnehmer nur dann auf Ansprüche aus BV verzichten, wenn der Betriebsrat dem Verzicht wirksam zustimmt.

Ein Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen. Nach deren Inhalt sollte – ich kürze ab – ein betriebsbedingter Personalabbau sozialverträglich gestaltet werden. Es war auch eine Berechnungsformel für Abfindungen enthalten. Einen Anspruch auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gewährte die Betriebsvereinbarung aber nicht. Es mussten beide Seiten einverstanden sein.

Eine Arbeitnehmerin und spätere Klägerin „bewarb“ sich 2 Mal erfolglos um einen Aufhebungsvertrag. Zweimal lehnte der Arbeitgeber ab, weil er das Budget für die Aufhebung nicht hatte. Erst beim dritten Mal erklärte sich der Arbeitgeber bereit, dass Arbeitsverhältnis zu beenden: Es wurde im Dezember 2005 zwischen der Arbeitnehmerin/Klägerin, dem Arbeitgeber und einer Beschäftigungsgesellschaft ein 3-Seitiger-Vertrag geschlossen:

  1. Ende des Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 30.11.2007.
  2. Neues Arbeitsverhältnis mit der Beschäftigungsgesellschaft vom 1.12.2007 bis 30.11.2008.
  3. Abfindung in Höhe von 250.000 Euro (nach der BV wären es rund 400.000 Euro gewesen)

Der Arbeitgeber schrieb an den Betriebsrat, dass die Arbeitnehmerin aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wolle und dass man sich auf eine ggü. der BV verringerten Abfindung geeinigt habe. Der Arbeitgeber bat um Zustimmung.

Des Weiteren gab es eine Erklärung der Mitarbeiterin, die den Verzicht auf die Ansprüche aus der BV beinhaltetet und die auch unterschrieben war, wobei die Klägerin bestritt, dass es ihre Unterschrift sei. Die Zustimmung des Betriebsrates war von einem Betriebsratsmitglied unterschrieben.

Die Arbeitnehmerin hatte geklagt und wollte die Differenz von rund 150.000 Euro zwischen ihrem Aufhebungsvertrag und der Betriebsvereinbarung. Sie habe die Verzichtserklärung nicht unterschrieben und der Betriebsrat habe nicht wirksam zugestimmt.

Beim Arbeitsgericht unterlag sie, beim LAG gewann sie, das BAG hob das Urteil des LAG auf und verwies den Fall zurück, weil der Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt war.

Das BAG rügte:

  • „Betriebsbedingt“ im Sinne der BV ist die Aufhebung nur dann, wenn es sich um einen Arbeitsplatzabbau aus einem bestimmten Bereich handelt, der in der BV festgelegt ist. Das hat das LAG aber gar nicht festgestellt. Man kann daher noch nicht sagen, ob es sich überhaupt um einen Aufhebungsvertrag aus betriebsbedingten Gründen handelt. Wenn das nämlich nicht der Fall ist, dann ist der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach der BV gleich futsch.
  • Wenn die Klägerin unter den in der BV geregelten Arbeitsplatzabbau fällt, muss das LAG auch prüfen, ob überhaupt der Aufhebungsvertrag wirksam zustande gekommen ist, denn die Parteien haben ihn unter der Bedingung abgeschlossen, dass der Betriebsrat dem Teilverzicht auf die höhere Abfindung zustimmt. Und das hat er nicht wirksam getan, denn es fehlt an einem Beschluss des Betriebsratsgremiums. Der Beschluss kann nur gefasst werden, wenn der Betriebsrat umfassen über die Umstände des Verzichts informiert ist. Im vorliegenden Fall wusste der BR aber nur die Höhe der vereinbarten Abfindung und nicht die Höhe der Abfindung, die sich aus der BV ergeben würde. Der BR wusste also nicht, dass die Klägerin auf knapp 150.000 Euro verzichten würde.

FAZIT: Wenn die Frau darlegen und beweisen kann, dass sie die Voraussetzungen der BV erfüllt, kann es sogar dazu kommen, dass der Aufhebungsvertrag gar nicht wirksam zustanden kam.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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