25 Nov
2013

Aufhebungsvertrag unter Druck unterschrieben – Anfechtung fast nicht möglich

Es gibt sie immer wieder. Die Drucksituation, unter der ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber praktisch genötigt wird, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Das ist brandgefährlich und sollte unbedingt vermieden werden. Nachstehendes Beispiel mag das verdeutlichen:

Ein Arbeitnehmer arbeitet in seiner Firma schon seit ein paar Jahren. Seit einiger Zeit knirscht es im Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter. Der Grund ist einfach: Der Chef gibt den Druck weiter, den er selbst von seinen Kunden bekommt. Die wollen, dass immer schneller, immer preiswerter und immer flexibler gearbeitet wird. Es sollen auch blitzschnell neue Techniken, die beim Kunden angewendet werden, beherrscht werden. Das ist nur schwer möglich aber, um den Auftrag nicht zu verlieren, verspricht der Arbeitgeber, allen Anforderungen des Kunden zu entsprechen. Nun muss der Mitarbeiter ran. Er stößt dabei an seine Leistungsgrenze, geht vielleicht darüber hinaus aber schließlich scheitert er. Daraufhin bekommt der Arbeitgeber Ärger mit seinem Kunden. Er merkt, dieser Arbeitnehmer „bringt es nicht“. Er will ihn ganz schnell loswerden und legt ihm einen Aufhebungsvertrag vor. Dieser beinhaltet eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer (vielfach verwendeten 3-monatigen) Kündigungsfrist. Dann wird auch noch vereinbart, dass der Urlaub bereits genommen wurde und ansonsten keine Ansprüche zwischen den Parteien bestehen. Die „Möhre“, die dem Arbeitnehmer vor die Nase gehalten wird ist ein sehr gutes Zeugnis. Der Arbeitgeber winkt mit dem Zeugnis und sagt: „Nur heute und nur hier und jetzt mache ich dir dieses Angebot. Wenn Du nicht sofort unterschreibst, bekommst Du ein schlechtes Zeugnis.“ Der Arbeitnehmer fragt nach Sperrzeit. Der Arbeitgeber behauptet: „Wenn ich reinschreibe, dass Du ansonsten eine betriebsbedingte Kündigung bekommen würdest, kriegst Du keine Sperre.“ Der Arbeitnehmer ist verwirrt, glaubt dem Arbeitgeber und will das Zeugnis sichern. er unterschreibt. Dann schläft er eine Nacht drüber und merkt, dass er so richtig Sch… gebaut hat.

Die juristischen Fakten sind nämlich:

  • Er bekommt eine Sperre, denn er hat sein Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund aufgegeben. Vielleicht kann er die Agentur für Arbeit überzeugen, dass er unter Druck handelte. Aber sicher ist es nicht, dass er gleich ALG bekommt.
  • Anfechtung kann man vergessen. Zwar wurde er massiv unter Druck gesetzt und auch bedroht „Wenn Du nicht unterschreibst, bekommst Du ein schlechtes Zeugnis.“ aber er kann es nicht beweisen, denn er hat keine Zeugen.
  • Der Arbeitgeber hatte de facto keinen Kündigungsgrund und hätte dem Arbeitnehmer gar nicht kündigen können.
  • Die 3 Monate Kündigungsfrist hätte der Arbeitgeber bei einer Kündigung auf jeden Fall einhalten müssen.
  • Der Arbeitnehmer ist sofort arbeitslos und muss sich aus der Arbeitslosigkeit heraus bewerben. Das ist karrieretechnisch der schlechteste Ausgangspunkt für eine neue Stelle.
  • Bei einem durchschnittlichen Gehalt von 3000 Euro hat der Arbeitnehmer also schon mal 9000 Euro eingebüßt, nur weil die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde. Hinzu kommt die Sperrzeit beim ALG. In dieser Zeit muss er sich selbst versichern und bekommt kein Geld. Bei einem Gehalt von 3000 Euro macht das auch noch mal rund 4000 Euro, die der Arbeitnehmer verliert. Hinzu kommt der Urlaub, den er dran gegeben hat und der auch noch ein paar Euro wert ist. In Summe kann man sagen, dass sich der Arbeitnehmer ein sehr gutes Zeugnis für 13.000 Euro gekauft hat.

Was tun? Jetzt hilft nur noch Schadensbegrenzung. Ein Anwalt könnte ggü. der Agentur für Arbeit die Drucksituation schildern und dafür kämpfen, dass es keine Sperre gibt. Ob das gelingt hängt davon ab, ob sich die Agentur davon überzeugen lässt, dass eine Drucksituation herrschte und der Arbeitnehmer somit einen wichtigen Grund für die Beendigung hatte. Außerdem sollte der Arbeitnehmer nun zu einem Karrierecoach gehen, damit bei den nächsten Schritten im Kampf um einen guten Job nicht weitere Fehler gemacht werden.

In Zukunft heißt es aber: Immer eine Nacht drüber schlafen. Kein Angebot ist so gut, dass man es sofort annehmen muss. Zumindest nicht im Arbeitsrecht.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Blog Karriereberatung

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