Maßregelungsverbot – § 612a BGB

Das Maßregelungsverbot hat es in sich. Wie so oft im Arbeitsrecht versteckt sich diese unscheinbare Vorschrift: §612 a BGB. Darin heißt es:

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Wann gilt das Maßregelungsverbot?

§ 612 a BGB gehört zu den unabdingbaren Rechten eines Arbeitnehmers. Wie sich aus dem Wortlaut schon erkennen lässt, gilt das Maßregelungsverbot nicht nur für (mündliche oder schriftliche) Vereinbarungen sondern auch für jede Maßnahme oder Handlung. Arbeitnehmer dürfen nicht benachteiligt werden, wenn sie ihre Rechte ausüben. Und der Wunsch, dies zu tun, ist bei Arbeitgebern gar nicht selten vorhanden. Ich höre immer wieder, dass ein Arbeitnehmer zum Beispiel einen im Betrieb vorgesehenen Beschwerdeprozess einleitet und durchführen möchte und vom Vorgesetzten zu hören bekommt, er solle es nicht auf die Spitze treiben o.Ä. Arbeitgeber sind gut beraten, wenn Sie dies unterlassen. Solche Äußerungen können dazu führen, dass eine im Anschluss an die Beschwerde des Arbeitnehmers vorgenommene Kündigung unwirksam ist, wenn ein Zusammenhang zwischen der (unerwünschten aber zulässigen) Beschwerde und der Kündigung hergestellt werden kann.

Der Arbeitnehmer muss sein Recht zulässigerweise ausüben. Er darf nicht gegen den Arbeitsvertrag (Haupt oder Nebenpflichten) verstoßen.

Mit „Maßnahmen“ sind sämtliche Formen der Diskriminierung und Schikane oder auch das Vorenthalten von Leistungen, die anderen Mitarbeitern gewährt werden.

Die Rechtsausübung des Arbeitnehmers (z.B. Beschwerde über einen Vorgesetzten oder Kollegen) und die Maßnahme (Versetzung ins fensterlose Kellerarchiv, Streichung von Urlaubsgeld, Kündigung o.Ä.) müssen in einem direkten Zusammenhang stehen. Die Rechtsausübung muss der Grund für die Maßnahme sein. Bei mehreren Gründen, die noch hinzutreten können, muss die Rechtsausübung (z.B. Beschwerde) der wichtigste Grund für die Maßnahme (z.B. Kündigung) sein.

Eines der wichtigsten Beispiele für die Anwendung des § 612 a BGB ist die Kündigung. D.h.: Arbeitnehmer beschwert sich in zulässiger Weise über einen Vorgesetzten und die Kündigung folgt auf dem Fuße.

Erleichterte Beweisführung

Der Arbeitnehmer muss das Vorliegen der Voraussetzungen des § 612 a BGB beweisen. Da dies nicht ganz einfach ist, weil er dem Arbeitgeber nur bis vor den Kopf schauen kann, bekommt er Beweiserleichterungen. Es genügt, wenn er darlegen und beweisen kann, dass ein Zusammenhang offensichtlich ist. Es muss z.B. ein zeitlicher Zusammenhang bestehen. „Offensichtlich“ bedeutet, dass es auch für einem Außenstehenden mit Händen zu greifen ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die zulässige Rechtsausübung bestrafen wollte. Es ist daher für die Beteiligten hilfreich, wenn sie sich gedanklich in die Position eines sogenannten „objektiven Dritten“ hineinversetzen.

Folgen bei Verstoß durch den Arbeitgeber

Die Maßnahme, die Gegen § 612 a BGB verstößt ist nichtig. Eine solche Kündigung wäre also unwirksam, die versagte Prämie müsste gezahlt werden, die Versetzung ins fensterlose Kellerarchiv wäre rückgängig zu machen.

Es empfiehlt sich daher für Arbeitgeber, ruhig Blut zu bewahren, wenn Arbeitnehmer zulässig ihre Rechte ausüben und sich nicht unnötig angreifbar zu machen. Gerade bei beabsichtigten Trennungen ist es sinnvoll sich von einem Anwalt begleiten zu lassen, der ggf. auch die Emotionen „herunterkochen“ kann und Ihnen hilft, einen sachlichen Blick auf die Geschehnisse zu werfen.

Für Arbeitnehmer ist Wachsamkeit ebenso gefragt. Zum einen sollten sie sicher sein, dass sie wirklich in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben. Des Weiteren ist im Umfeld von belastenden Maßnahmen immer zu prüfen, ob der unscheinbare Zweizeiler (§ 612 a BGB) die Maßnahme nicht schon erledigt hat.

 

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